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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bei Hindenburg und Schleicher in Ungnade fiel, dann würde Papen sich vielleicht in sein Schneckenhaus zurückziehen, wie Kelippoth es in den Vereinigten Staaten getan hatte.
    Es ging also voran. Als am 2. September auch endlich das lang ersehnte Treffen mit Kurt von Schleicher zustande kam, sprühte der Wahrheitsfinder geradezu vor Elan. Und diesmal, wenn auch zögerlich, öffnete sich der Reichswehrminister Davids schlüssiger Beweisführung. Nach anderthalb Stunden zähen Ringens meinte Schleicher endlich: »Ihre Fragen haben mir, glaube ich, die Augen geöffnet, Mr Pratt. Ich möchte Ihnen dafür danken. Zwar kann ich Ihnen auch noch nicht sagen, wie wir den Karren endlich aus dem Dreck bekommen, aber mit Papen und Hitler sicher nicht. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um das zu verhindern. Allerdings…« Der General zögerte.
    David wagte einen kühnen Einwurf. »Papen hat Sie in der Hand.«
    Schleicher sah ihn verblüfft an. »Wie kommen Sie darauf…?«
    »Das weiß ich schon lange.« Jedenfalls habe ich es vermu tet. »Ich glaube, ich kann Sie vor Franz von Papen schützen.«
    »Danke, aber im Moment bin ich dazu noch ganz gut selbst in der Lage.«
    »Weil Sie etwas besitzen, das Papen unbedingt haben möchte, nicht wahr?«
    Die Überraschung auf Schleichers kantigem Gesicht schien sich noch zu vertiefen. »Sie sind ein außergewöhnlicher Mann, Mr Pratt.«
    David lächelte. Er hat die Glaskugel noch! »Darf ich Sie demnächst einmal besuchen und den gewissen Gegenstand genauer in Augenschein nehmen?«
    Schleicher wich seinem Blick aus. »Vielleicht. Ich werde Schildmann Anweisung geben, Sie bevorzugt zu behandeln. Aber im Moment muss ich erst mit mir selbst ins Reine kommen. Lassen Sie uns ein andermal darüber sprechen.«
     
     
    Davids neuer Verbündeter leistete im Verborgenen ganze Arbeit. Nicht ohne bitteren Beigeschmack erwies sich für ihn jedoch die Schützenhilfe ausgerechnet vonseiten der Nationalsozialisten. Der erste Auftritt des Reichskanzlers Franz von Papen vor dem neuen Reichstag endete am 12. September nämlich mit einer Niederlage, weil Reichstagspräsident Hermann Göring ihn auf heimtückische Weise ausmanövrierte. Zwar wurde dadurch Papens politische Demontage eingeläutet, aber die NSDAP ging aus der Debatte gestärkt hervor. Ohne Rückhalt im Parlament ließ Papen notgedrungen zum 6. November wieder Neuwahlen ausschreiben.
    Die Zeit bis dahin war äußerst knapp, um hinter den Kulissen eine positive Wende herbeizuführen, also Franz von Papen auszuschalten und Hitler zu schwächen. Obwohl Hindenburg für den Time-Reporter nicht mehr zu sprechen war, ließ sich David dadurch nicht entmutigen.
    Er setzte seine Gaben ein, nutzte sämtliche Kontakte, arrangierte Gespräche mit Abgeordneten und anderen einflussreichen Persönlichkeiten, erkämpfte sich Stück für Stück das Vertrauen von Schleicher, bis dieser endlich eine Einladung aussprach, an die David schon nicht mehr geglaubt hatte.
    »Was halten Sie davon, wenn wir uns übermorgen nach Einbruch der Dunkelheit in meinem Babelsberger Domizil treffen, Mr Pratt?«
    Das Angebot des Reichswehrministers rettete David vor einer Verzweiflungstat. Er war drauf und dran gewesen, in Kurt von Schleichers Villa einzubrechen, um Jasons Träne zu »entführen«. Jetzt also durfte er dieses betagte Anwesen höchst offiziell erkunden.
    Es täte ihm Leid, David nicht mit seiner Gattin bekannt machen zu können, die derzeit auf Rügen kure, erklärte Schleicher, während ein Bediensteter in der Diele Davids Jacke zu ergattern suchte. Dann erbot sich der stolze Hausherr zu einer kleinen Führung durch sein »bescheidenes Refugium«, was David, wie man sich denken kann, erfreut begrüßte.
    Die hundertjährige Villa war zwar voll gestopft mit Antiquitäten, aber in den einzelnen Räumen herrschte ein geschmackloses Durcheinander. Irgendwie passte dieses Haus mit seinen alten Holzdielen, die bei jedem Schritt knarzten wie die Planken eines sturmgebeutelten Segelschiffes, aber ganz gut zum etwas angestaubten Wesen des fast kahlköpfigen Generalmajors. Da gab es Unmengen alter Kommoden, Tischchen, Schränke und Stühle aus den verschiedensten Hölzern, außerdem dicke Teppiche, opulente Ölgemälde und Nippes aus aller Herren Länder – alles in bester Disharmonie vereint.
    Nach dem Rundgang wurde David in einen ledernen Ohrensessel komplimentiert. Er schlug lächelnd eine Zigarre aus, willigte aber in einen Cognac ein. »Ich muss Ihnen

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