Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Geheimzirkels gewittert hatte. Aber war es nicht ein merkwürdiger Zufall, dass Hindenburg ausgerechnet zwei Tage, bevor…?
Nein, er musste jetzt einen klaren Kopf behalten, musste entscheiden, wie weiter zu verfahren war. Sollte er Deutschland unverrichteter Dinge verlassen? De facto war Hitler nun zum unumschränkten Alleinherrscher aufgestiegen, was sein neuester Titel trefflich ausdrückte: »Führer und Reichskanzler«. Sein Imperium war das »Dritte, das Großdeutsche Reich«. Nachdem das erste, das »Heilige Römische Reich Deutscher Nation« und auch das zweite unter Otto von Bismarck vergangen waren, nahm sich Hitler vor, es beim dritten Versuch besser zu machen. Tausend Jahre sollte die Sache schon halten.
Aber nicht dieser selbstherrliche »Führer« war ja Davids Gegner. Er kämpfte gegen den Kreis der Dämmerung, und dessen lokaler Repräsentant, Franz von Papen, schien entmachtet zu sein. Er war aus der Öffentlichkeit ebenso verschwunden wie vormals Kelippoth. Sicher, irgendwann musste David sich der beiden erneut annehmen, aber bis dahin wusste er vielleicht, wie Jasons Träne und die zwölf Ringe einzusetzen waren, um den Kreis der Dämmerung zu sprengen.
Als David gegenüber Rebekka die »indische Option« ins Spiel brachte, reagierte sie zurückhaltend.
»Das heißt also, du gibst hier auf«, sagte sie.
»Ich kann Deutschland nicht vor diesem Wahnsinnigen retten, wenn Deutschland selbst es nicht will.«
»Ich finde, du machst es dir ziemlich einfach«, antwortete sie kühl.
David war sich nicht sicher, was da lauter aus ihr sprach, die Vernunft oder das an den deutschen Freunden hängende Herz. Ihre Gefühle konnte er durchaus nachempfinden, sehnte auch er sich doch danach, den alten Balu Dreibein bald in Indien wieder zu sehen. Diesbezügliche Pläne fanden jedoch einige Wochen nach dem »Röhm-Putsch« und kurz nach Hindenburgs Tod ein jähes Ende.
Franz von Papen tauchte wieder auf.
Es war unglaublich! Da hatte Hitler alle seine Gegner aus dem Weg geräumt, er hatte Edgar Jung, den Verfasser der Rede vom 17. Juni umbringen lassen, aber denjenigen, der sie gehalten hatte – Franz von Papen –, ernannte er nun zum Botschafter in Wien.
»Und jetzt willst du bestimmt nach Österreich umziehen«, schlussfolgerte Rebekka, als David ihr von dem Papen-Phönix erzählte, der aus der Asche wieder auferstanden war.
»Darüber bin ich mir noch nicht im Klaren«, gab er zu.
»Eigentlich wäre es das Naheliegendste. Andererseits darf ich mich nicht verzetteln. Hier wird die Musik gespielt, in Berlin. Meine Bestimmung besteht darin, den Jahrhundertplan zu vereiteln. Und der soll die Menschen so weit bringen, dass sie sich selbst ausrotten. Von allen Unholden auf der Welt scheint mir Hitler die derzeit wichtigste Rolle in dieser Weltuntergangstragödie zu spielen.«
Nach reiflicher Überlegung war David also zu dem Entschluss gekommen, in Berlin zu bleiben. Im schriftlichen Vermächtnis hatte sein Vater ausführlich beschrieben, wie Lord Belial sich die Umsetzung seines Planes vorstellte. Mitgefühl und Nächstenliebe sollten erkalten, bis die Menschen bereit waren einander zu zerfleischen. War eine solche Entwicklung nicht gerade in Nazi-Deutschland zu beobachten? Blockwarte bespitzelten und denunzierten ihre Mitmenschen. Schreckliche Gerüchte über die Konzentrationslager befanden sich im Umlauf. Erst Hitlers politische Gegner, dann die Zeugen Jehovas und neuerdings auch Homosexuelle mussten Zwangsarbeit verrichten bis zum Umfallen. Nicht nur große Firmen wie Siemens, die deutschen Ford-Werke oder die IG Farben beuteten das spottbillige Menschenmaterial aus, sondern auch kleine Unternehmen und sogar Privathaushalte. Viele hundert Zwangsarbeiter hatten schon ihr Leben verloren.
Auch in einer anderen Hinsicht machte der Jahrhundertplan Fortschritte: Willst du ein Land ohne Schwertstreich erobern, dann musst du ihm nur seine Kinder nehmen. So hatte es einst Teruzo Toyama kalt und berechnend vorgeschlagen und sein Herr, der Schattenlord, hatte ihn dafür gelobt. Mit den Kindern wollte Hitler seine wahnwitzige Idee eines tausendjährigen Reichs verwirklichen. »Zäh wie Leder, flink wie Windhunde und hart wie Kruppstahl« sollten die Hitler jungen nach Baldur von Schirachs Vorstellung werden, den Hitler zum »Reichs-Erzieher« gekürt hatte. Diesen für Soldaten vorbildlichen Eigenschaften standen die Tugenden des weiblichen Nachwuchses gegenüber. Im BDM, dem Bund Deutscher Mädel,
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