Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
etwas Dringenderes vorhaben. Bei dem Schwung fällt das Kehrtmachen eben nicht so leicht.« Das war zwar vollendeter Unsinn, aber David brauchte nur ein paar Sekunden, einige wenige Meter…
Der Fahrer kratzte sich am Kopf, dabei verrutschte seine dunkelblaue Droschkenkutschermütze, Bedächtig äußerte er den Verdacht, seine Fahrgäste könnten Kriminelle sein.
»Wo denken Sie hin!«, antwortete David erbost. »Die anderen sind die Verbrecher, Sie wollen uns etwas abjagen. Können Sie nicht etwas schneller fahren?«
Die Antwort des Fahrers war eine undefinierbare Kombination bayerischer Fachausdrücke zur Umschreibung höchsten Unmuts. David glaubte das Wort »Herrgotthimmisakrasacklzementnoamol« herauszuhören, war sich aber nicht sicher. Den Flüchen folgte ein schon etwas verständlicherer Diskurs über das Wunder von Automobil, das der Fahrer seit nunmehr drei Tagen sein Eigen nannte, einen BMW AM4, Typ 3, Er habe seine alte Droschke von der Auto-Union bis zum Auseinanderfallen gefahren und jahrelang auf den neuen Wagen gespart. Jetzt wolle er sich keinen Kratzer einhandeln, nur weil ein nervöser Fahrgast etwas von Lebensgefahr rede.
David blickte aus dem Heckfenster und entdeckte zwei schwarze Mercedes-Limousinen, die schnell aufschlossen. Die Jagd war noch nicht zu Ende.
»Hören Sie, guter Mann«, bedrängte er den Fahrer.
»Alois hoiß i«, unterbrach ihn der.
»Bei allem, was mir heilig ist, Alois, es geht wirklich um Leben und Tod. Wir werden von zwei Wagen verfolgt und ich zahle Ihnen den doppelten Fahrpreis, wenn Sie die beiden abhängen.«
Er habe doch nicht etwa den »Führer« erschossen, fragte Alois mit einem Mal. Unsinn, antwortete David. Der Fahrer schien enttäuscht, was David wiederum Mut machte. Er sei Reporter, erklärte er Alois, und einer Nazi-Schweinerei auf die Schliche gekommen. Wenn die Herren in den schwarzen Limousinen ihn und seine Frau jedoch zu fassen bekämen, werde der zum Himmel stinkende Mist eben im Stall bleiben.
Diese anschauliche Ausdrucksweise erschloss sich sofort dem in ländlicher Umgebung geprägten Fahrer. Nur sein schöner neuer Wagen machte ihm noch Sorgen.
»Ich zahle Ihnen das Zehnfache!«, schrie David verzweifelt. Die Verfolger hatten sie schon fast eingeholt.
Plötzlich ging ein Ruck durch das Auto. Alois lachte: Mercedes gegen BMW – das sei doch mal ein Rennen, das sich lohne. Jetzt würden die schweren Karossen dahinten gleich nur noch Sterne sehen, und zwar die auf dem eigenen Kühlergrill. Er lachte laut und entfesselte die »raubtierartige« Kraft von 20 PS des 800-ccm-4-Zylinder-Reihenmotors.
Leider rechnete Alois nicht mit dem Gesetz der Massenträgheit: Sein Taxi kam erheblich langsamer auf Touren, als die schwarzen Jäger näher rückten. Mit bangen Mienen verfolgten David und Rebekka das ungleiche Rennen. Keine Frage: Der vordere Mercedes würde sich nicht zieren und den BMW mit voller Wucht rammen. Da entsann sich David einer bewährten Fertigkeit aus seinen römischen Tagen.
Plötzlich ertönte ein lautes metallisches Scheppern aus der Motorhaube des ersten Verfolgers. Ein haarsträubendes Knirschen, dann verlor der Wagen schnell an Fahrt. Dicke Rauchwolken drangen durch die Lüftungsschlitze. Zuletzt gab es einen fürchterlichen Rums. Der nachfolgende Wagen hatte seinen Vordermann gerammt.
Alois’ braune Augen füllten fast den gesamten Rückspiegel aus. Wenn’s hart auf hart käme, dann sei ein bayerisches Automobil eben doch zuverlässiger als ein schwäbisches. Dieser schadenfrohen Feststellung schloss er die Frage an, wo denn die Herrschaften überhaupt hinwollten.
David dachte einen Moment nach. »Bringen Sie uns bitte zum Hauptbahnhof.«
Rebekka sah ihn verwundert an. David antwortete mit einem unmerklichen Kopfschütteln. Nur ein Ablenkungsmanöver, falls man das Nummernschild des Taxis erkannt hatte und den Chauffeur später zwingen würde, das Fahrziel seiner Kunden preiszugeben.
Während sich der BMW mit abnehmender Geschwindigkeit durch den immer dichter werdenden Verkehr schob, stieg in David ein seltsames Gefühl hoch. Wiederholt blickte er sich um, aber die nachfolgenden Fahrzeuge fuhren völlig normal, die Jagd schien vorbei zu schein. Argwöhnisch beäugte er die Polizisten, die hier und da am Straßenrand auftauchten, aber auch sie verhielten sich unverdächtig.
Der BMW quälte sich nun durch eine enge Gasse ohne Gegenverkehr. Etwas weiter voraus mündete sie in eine breite Straße. Genau an der Kreuzung
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