Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Vorhang, der über seinen Augen lag. Ein helles Licht verursachte ihm neue Schmerzen. Er stöhnte und eine Hand drehte die Lampe zur Seite.
»Entschuldigen Sie, ich habe Sie gerade untersucht. Sie befinden sich hier im Schwabinger Krankenhaus, weil…«
David stutzte. Diese Stimme! Hatte er sie nicht schon irgendwo einmal gehört? Und warum klang sie so… bedrückt?
»Wie geht es Rebekka?«, ächzte David.
Er wollte sich aufrichten, überlegte es sich aber schnell wieder anders.
Der Arzt fragte: »Sie meinen die Frau in dem Unfallfahrzeug?«
»Meine Ehefrau.«
»Laut ihrem Pass ist sie britische Staatsbürgerin und heißt Gwen, nicht Rebekka. Gwen Montgomery. Bei Ihnen selbst haben wir nur einen Presseausweis auf den Namen Friedrich Vauser gefunden.«
Erneut stöhnte David auf, diesmal, weil er sich verraten hatte. Vermutlich stand in irgendeiner Ecke des Behandlungszimmers ein Gestapo-Beamter und schrieb jedes Wort mit. Aber im Moment war das zweitrangig.
»Sagen Sie mir bitte, wie es meiner Frau geht, Doktor… «
»Mielke. Ich bin der diensthabende Unfallchirurg.«
David stutzte. Seine Augen hatten sich nun einigermaßen an die Lichtverhältnisse gewöhnt, er konnte das Gesicht des Arztes eingehender betrachten. Er kannte diesen Mann! Doch woher nur? Von einer seiner früheren Stippvisiten in München? Nein… Mit einem Mal fiel es ihm wieder ein. Damals hatte dieses Gesicht auch besorgt ausgesehen, war aber schmaler und jugendlicher gewesen.
David flüsterte: »Du hast es ja immer geahnt, ich aber hätte nie geglaubt, dich jemals wieder zu sehen, Hermann, «
Der Arzt stutzte. »Woher kennen Sie meinen Vornamen?«
»Schau mich genau an«, antwortete David. »Damals hatte ich kurze schneeweiße Haare und war zwanzig Jahre jünger.«
Noch immer runzelte der Doktor nur die Stirn.
»David«, flüsterte er endlich. Die Augen des Arztes wurden groß, sein Kiefer klappte herunter. »Das gibt es doch nicht! Du bist der Tommy, der mir damals im Schützengraben das Leben gerettet hat!«
Dieses überraschende Wiedersehen war so überwältigend, dass David einen Moment lang alles um sich herum vergaß. Er schaffte es sogar – unter Schmerzen – zu lächeln. »Na ja, es war nur eine Platzwunde am Kopf. Die hättest du wohl auch ohne mich überstanden.«
Hermann Mielke schüttelte den Kopf. »Ich habe Kameraden mit viel geringfügigeren Verletzungen sterben sehen, David. Wegen dir habe ich nach dem Krieg Medizin studiert. Genau genommen hast du dir also selbst das Leben…« Die Stimme des Arztes erstarb und seine Freude wich augenblicklich tiefer Betroffenheit.
Auch David fiel wieder in die kalte Wirklichkeit zurück. Ohne weiter an mögliche Lauscher zu denken, fragte er laut: »Was ist? Doch nicht Rebekka! Ist sie…?«
Der Arzt schüttelte den Kopf, ohne allerdings seinen Patienten dabei anzusehen.
»Sag mir die Wahrheit, Hermann! Wie schwer sind ihre Verletzungen?«
Hermann Mielke seufzte. »Gravierend, David. Sie hat innere Verletzungen, außerdem mehrere schwere Frakturen.« Er schüttelte traurig den Kopf.
David kannte dieses Also-wenn-Sie-mich-fragen-Kopfschütteln. Im Krieg hatte es genügt, einen Menschen zur Seite zu schieben. Zum Sterben. Aber wir sind nicht mehr im Krieg… ! Nein, das stimmt nicht. Trotz der schier uner träglichen Schmerzen und der zunehmenden Übelkeit richtete sich David auf und ergriff das Revers von Hermanns Arztkittel. »Rebekka ist stark! Sie kann das überleben. Du darfst sie nicht aufgeben, Hermann. Hörst du? Du darfst…«
Die Hand des Arztes legte sich sanft um die Davids und er beugte sich zu ihm herab. Zum ersten Mal flüsterte nun auch er. »Was ich möchte, darum geht es hier gar nicht, mein Freund. Wer bist du wirklich?«
Die Frage ließ David erschauern. Aber es war ihm alles gleichgültig, wenn er nur Rebekka helfen konnte. »Es würde zu lange dauern, dir das Ganze zu erklären«, sagte er leise. »In gewisser Hinsicht bin ich ein Geheimagent, ich arbeite jedoch für kein Land dieser Welt, sondern für die ganze Menschheit. Ich bin einer gewaltigen Verschwörung auf der Spur. Heute habe ich bei der Münchener Konferenz einen der Drahtzieher gesehen…« Davids Stimme erstarb.
Seltsamerweise schien Hermann diese Erklärung kaum zu verwundern. Vielleicht bezog er die Verschwörergeschichte auch auf die Nationalsozialisten, eine durchaus begründete Annahme. Das Gesicht des Arztes verdüsterte sich. »Sie haben dir eine hohe Dosis
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