Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Clostridium-tetani-Erreger injiziert, David! Die Gestapo hat ihre eigenen Mediziner hier im Haus. Mich haben sie erst später hinzugezogen, um deine Platzwunde am Kopf zu verarzten und dich auf Brüche hin zu untersuchen. Es sollte alles nach einer › bestmöglichen medizinischen Versorgung‹ aussehen.«
David fühlte mit einem Mal eine lähmende Kälte in sich aufsteigen. Clostridium tetani war ein heimtückisches Bakterium, das Tetanus auslöste, Wundstarrkrampf also. Er hatte im Krieg oft genug mit ansehen müssen, wie vermeintlich leichter verletzte Kameraden nach zwei oder drei Wochen zunächst unter Kopfschmerzen und Depressionen zu leiden begannen, um später Schluckbeschwerden und oft auch einen steifen Hals zu bekommen. Die ersten Krämpfe erfassten nicht selten die Wangenmuskeln, die Mimik des Patienten erstarrte im so genannten »sardonischen Lachen«. Alles andere als komisch war dann das letzte Stadium der Krankheit. Die Krämpfe weiteten sich auf die gesamte Muskulatur des Infizierten aus, bis er in der Regel erstickte.
Mit einem flehentlichen Blick fragte David: »Kannst du mir denn nicht…?«
Hermann schüttelte traurig den Kopf. »Vor der Tür stehen zwei Posten. Jedes zu verabreichende Medikament wird vorher geprüft. Diese Leute müssen dich für höchst gefährlich halten. Du hättest sehen sollen, wie sie deine Sachen durchsucht haben.«
Davids Hand fuhr blitzartig zur Brust. Belials Ring! Er war verschwunden. Kein Wunder, Papens Schergen mussten nichts Eiligeres zu tun gewusst haben, als den Siegelring in Sicherheit zu bringen. David schüttelte niedergeschlagen den Kopf. Das spielt nun auch keine Rolle mehr. Wenn doch nur Rebekka…
»Falls du die Kette mit diesem gewaltigen Ring vermisst«, meldete sich da unversehens Hermanns Stimme, »die haben wir rechtzeitig in Sicherheit gebracht, weil hier die Wertsachen unserer Notfallpatienten oftmals Beine bekommen.«
»Wir?«
»Nun, eigentlich war es Konstanze, eine mir sehr zugetane Krankenschwester, die zufällig gerade in der Notaufnahme ausgeholfen hatte, als du und deine Frau…«
»Das alles ist jetzt nicht so wichtig«, unterbrach David den Arzt. »Sag mir lieber, was mit Rebekka ist. Haben sie auch ihr den Erreger gespritzt?«
»Nein. Es steht so schlimm um sie, dass sie das wohl nicht für nötig befunden haben.«
David atmete erleichtert auf. »Du musst sie retten, Hermann!«
»Wenn du mir sagst, wie ich das tun soll«, antwortete der Arzt verzweifelt. »Ich bin nur für die Notaufnahme zuständig. Nach allem, was ich gehört habe, will man deine Frau nicht einmal auf die Intensivstation bringen. Sie liegt im Zimmer nebenan…«
»… um zu sterben«, sprach David aus, was Hermann nicht zu sagen wagte. Er schloss für einen Moment seine tränenfeuchten Augen. »Wenn sie hier herauskäme, Hermann. Könntest du ihr dann helfen?«
Der Arzt schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ihre Chancen ständen hundert zu eins.«
»Das wäre immer noch besser als der sichere Tod auf dieser so genannten Rettungsstation. Du musst sie hier herausschaffen, Hermann. Vorhin hast du selbst gesagt, du verdanktest mir dein Leben. Jetzt hast du Gelegenheit, eine Schuld zu begleichen.«
»Du brauchst mich nicht zu erpressen«, antwortete Hermann heftiger als beabsichtigt. »Ich sehe nur keinen Weg…«
»Es gibt immer einen Weg«, schnitt David ihm das Wort ab. »Habt ihr in diesem Hospital denn keine Pathologie?«
»Natürlich gibt es eine, aber…«
»Und du als Diensthabender der Notaufnahme weißt es doch als Erster, wenn einem Unfallopfer nicht mehr zu helfen ist.«
Mit einem Mal begannen Hermanns Augen zu leuchten. »Du meinst, ich soll deine Frau gegen… eine Leiche austauschen?«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Aber wie bekomme ich den Leichnam in ihr Zimmer hinein und sie heraus? Ich sagte dir doch, ihr werdet bewacht.«
David lächelte grimmig. »Das lass nur meine Sorge sein.«
Das Schwierige an dem Plan war die knappe Zeit, die für seine Durchführung zur Verfügung stand. Es musste alles schnell gehen und auf die Sekunde genau. David befand sich in einem der wenigen Krankenzimmer der Station. In Stoßzeiten wurden hier Notfälle versorgt, bis ein Operationstisch oder ein Arzt frei wurde. Rebekka lag nebenan ebenfalls in einem solchen Raum.
David werde innerhalb der nächsten zwei Stunden auf eine normale Station verlegt werden, hatte Hermann gesagt, um sich dort – streng bewacht – von seinen Prellungen, der
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