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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Manche starben auch von selbst. Gegen ein entsprechendes Lösegeld könne ein Leben freigekauft werden, erklärte Sean beschwörend. Der oder die Betreffende durften dann sogar ausreisen…
    Mit Verbitterung erinnerte sich David, wie dieses »gut geschmierte Räderwerk« bei der Rettung der Blumenthals versagt hatte – ihr Schicksal war immer noch ungeklärt. Konnte, ja, sollte er diesem korrupten Apparat noch einmal vertrauen, jetzt, wo es um Rebekkas Leben ging? Oder würde er sie dadurch nur noch mehr gefährden?
    David war unentschlossen. In seinem Kopf drehten sich die Gedanken wie auf einem Karussell, ständig in Bewegung, aber doch zu keinem Ziel führend. Zuletzt konnte er Seans Ausführungen nur noch mit Mühe folgen. Lag dies an den Strapazen der vergangenen Nacht? Er hatte ja nicht geschlafen, war nur durch die Stadt geirrt, am frühen Morgen, zum Aufwärmen, in eine Kneipe eingekehrt, dann aber bald wieder aufgebrochen, weil er pünktlich in Fuhlsbüttel hatte sein wollen.
    »Der Vorschlag mit dem Anwalt ist vielleicht gar nicht so schlecht«, sagte er mit schwerer Zunge. Er fühlte sich wie ein Betrunkener. »Wir…« David schloss die Augen. Fast bekam er die Lider nicht mehr auf. »Gib dem Anwalt Bescheid. Er soll Rebekka finden und sie freikaufen. Ich…«
    Ein Schwindelanfall zwang David erneut zum Innehalten. Trotzig stemmte er sich aus dem Stuhl hoch. »Ich werde aber dennoch nicht hier bleiben und…« Mit einem Mal verschwamm Seans Gesicht vor seinen Augen.
    »Setz dich bitte wieder hin, David. Du siehst gar nicht gut…«
    Seans Stimme entfernte sich immer weiter von ihm. Jetzt wurde sogar das ganze Zimmer zu einem Karussell, drehte sich immer schneller… David sah noch die Lampe an der Decke, dann wurde es dunkel um ihn herum.

 
     
     
     
    Fünftes Buch
     
    Jahre der Leere
     
     
     
    Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein
    Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
     
    Mephisto in Goethes Faust

 
    Treibgut
     
     
     
    Er kam sich vor, als hätte ihn ein Seeungeheuer verschluckt. Da war ein rhythmisch an- und abschwellendes Rauschen. Es klang wie das Pulsieren des Blutes in den Adern des riesigen Ungetüms. Ein regelmäßiges Stampfen ließ den ganzen Leib der Bestie erzittern. Vielleicht war ja das Ganze nur ein Traum, einer von der Sorte, auf die jeder liebend gerne verzichtet. Allem Anschein nach schwamm das Ungeheuer durch sturmgepeitschte See. David überlegte, welche Möglichkeiten ihm blieben: Er konnte sich von dem Monstrum verdauen lassen, irgendeinen jener heldenhaften Befreiungsversuche starten, die in Alpträumen meistens schief gingen, oder einfach die Augen öffnen. Er entschied sich für die dritte Alternative.
    Und erschrak. Er befand sich tatsächlich im Leib eines Seeungeheuers, nur dass dieses aus Stahl und Nieten bestand. Ein Schiff. Kein besonders luxuriöses. Die Kabine, in der er lag, verwöhnte den Reisenden gerade einmal mit einer harten Pritsche, einem Hocker und einem grünlich glänzenden Anstrich auf Decke und Wänden. Ach ja, da gab es auch noch zwei dicke Rohre, die am Fußende der Liege aus dem Boden kamen und sich durch die Decke wieder verdrückten.
    David fuhr hoch und schwang die Beine von dem Lager. Sein Kopf brummte, als sei darin ein besonders emsig arbeitender Propeller installiert. Er schob den Schmerz beiseite, um sich einigen drängenden Fragen zu widmen.
    Wo war er? Warum befand er sich hier? Und wie viel Uhr war es?
    Die letzte Frage ließ sich vergleichsweise einfach beantworten. Seine Armbanduhr stand auf fünf Minuten nach halb zehn, das Datumsfenster zeigte eine Drei und durch das kleine Bullauge an der Bordwand sickerte trübes Tageslicht herein: 3. September, neun Uhr fünfunddreißig. David sprang auf.
    »Verräter!«, schrie er und meinte Sean. Dieser Hund hat mir etwas in den Tee getan. Deshalb schmeckte die Brühe so widerlich. Mit einem einzigen Schritt war er bei der Tür, in der sich ein weiteres Bullauge befand. David drehte und zerrte an dem Hebel, aber die Tür rührte sich nicht. Dann donnerte er mit den Fäusten gegen den Stahl. Von wegen Hitlers Geisel. Hier bin ich der Gefangene, auf einem englischen Schiff …
    Unvermittelt stellte David das Hämmern ein. Und wenn es kein britischer Dampfer war? Konnte es sein, dass Sean tatsächlich ein Verräter…?
    Ein hageres Gesicht erschien kurz im Türfenster, dann erhaschte David einen Blick auf einen fortlaufenden Matrosen. Gleich würde sich zeigen, wessen »Gast« er

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