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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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stellt. Oder haben Sie die Vorschriften nicht gelesen?«
    David nickte ergeben. »Die springen einen ja hier von jeder Wand an: ›Vorsicht! Feind hört mit.‹ Ich bin nicht Ihr Feind, Alan. Das können Sie mir glauben. Es ist die Wahrheit.«
    Verwundert ließ Turing die Gabel sinken. »Woher kennen Sie meinen Namen?«
    Jetzt musste David lachen. »Da sieht man mal wieder, was Vorschriften nicht verhindern können – Gerüchte kochen da am heftigsten, wo die Verschwiegenheit den Löffel schwingt. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Alan – ich darf doch hoffentlich Alan zu Ihnen sagen –, aber Sie sind im ganzen Camp bekannt wie ein bunter Hund.«
    Der kaum dreißigjährige Mathematiker verzog das Gesicht zu einer säuerlichen Grimasse.
    Da David nichts Böses im Schilde führte, konnte er auch mit den Worten der Wahrheit zu Turing sprechen, der sich hierauf zunehmend aufgeschlossener zeigte.
    »Ich habe bereits für den SIS in Berlin gearbeitet, als Sie vermutlich noch auf der Universität waren«, erwiderte David lächelnd und zerstreute damit die letzten schwachen Bedenken Turings. Dann erzählte er von Rebekka und traf einen Nerv in seinem Gegenüber, der so viel Offenheit und Wahrhaftigkeit zu honorieren schien.
    »Ich interessiere mich zwar weniger für den Inhalt der Nachrichten, die bei uns dechiffriert werden, aber einiges bekommt man trotzdem mit«, begann er nun selbst mit vollem Mund. »Die Nazis schleppen so ziemlich jeden in ihre Konzentrationslager, dessen Nase ihnen nicht passt. Anfangs waren es hauptsächlich politische Gegner, Bibelforscher und ein paar Kriminelle. Dann die Homosexuellen. Später haben sie unter allen möglichen Vorwänden Juden verhaftet und interniert. Schließlich kamen die so genannten Zigeuner dran. Mit ihren Euthanasiegesetzen rechtfertigen sie sogar die Ermordung von Behinderten. Und seit Kriegsbeginn internieren sie Tschechen, Polen, Kriegsgefangene…« Turing beugte sich vertraulich zu David hinüber und fügte leise an: »Wirklich perfide finde ich aber die Ghettos.«
    David horchte auf. »Für die Juden?«
    Turing nickte. »Ich habe ein paar dekodierte Funksprüche aus Polen gesehen. Die Nazis nennen es ›Aussiedlung‹: Sie schaffen ganze Viehwaggons voll Menschen in die neu eroberten Ostgebiete. In Warschau soll es ein riesiges Ghetto geben und ebenso in Lodz. Die Menschen vegetieren dort unter den erbärmlichsten Umständen dahin. Sie hungern, frieren, sterben an Krankheiten…« Der Mathematiker schüttelte sich vor Abscheu.
    In dem Gespräch trat eine Pause ein. David musste das Gehörte erst verarbeiten. Was ist, wenn sie Rebekka in eines dieser Ghettos »ausgesiedelt« haben? Verstohlen blickte er von seinem Teller zu Turing hoch, der gerade eine große Ladung Kartoffelbrei in sich hineinstopfte. Dieser junge Mann war für ihn der ergiebigste Gesprächspartner seit Wochen, ein dicker Fisch gewissermaßen, den er nicht wieder von der Angel lassen durfte.
    »Und Sie haben also mit der Entschlüsselung solcher Nachrichten zu tun?«, fragte er, als ginge es um Kricket oder eine andere zwar hochkomplizierte, aber harmlose Angelegenheit.
    Turing schluckte ein Stück Dosenwurst hinunter und antwortete: »Eigentlich bin ich ja Bombenbastler.«
    »Wie bitte?« David sah den Mathematiker verständnislos an.
    Der grinste. Die Bildungslücke seines Gesprächspartners schien ihn zu amüsieren. »Sie denken jetzt vermutlich an Bömbchen, wie sie die Deutschen während ihrer ›Operation Seelöwe‹ über unseren Städten abgeworfen haben. Nein, nein, mit derart explosivem Kram will ich nichts zu tun haben. Meine Bomben sind erheblich harmloser. Sie müssen wissen, ich habe schon immer davon geträumt, eine Maschine zu konstruieren, die auf die Fragen eines Menschen ›vernünftig‹ antworten, ja, die möglicherweise sogar selbstständig Entscheidungen treffen kann.«
    »So ein Unsinn!«
    »Das ist die erste Reaktion der meisten, denen ich das bisher erzählt habe. Als ich letztes Jahr zusammen mit der Government Code and Cypher School nach Bletchley Park sozusagen ›ausgelagert‹ wurde und mit einigen über meine Ideen redete, bin ich auch auf ein paar nachdenkliche Gesprächspartner gestoßen. Man meinte, dass es da schon einige ›Fragen‹ gebe, die man sich gerne schnell und zuverlässig von einer Maschine beantworten lassen würde.«
    »Als da wären?«
    »Deutsche Chiffren. Japanische oder italienische natürlich ebenso. Aber vor allem die deutschen.«
    »Und

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