Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
auf die Rückseite von Brits letzter Botschaft kritzelte. Anschließend reichte er ihm das Blatt.
»Ich hoffe, der Mann kann dir helfen, Francis. Wenn dieser Kelippoth oder sonst wer hinter Brits Tod steckt, dann muss er zur Rechenschaft gezogen werden.«
»Mir geht es genauso wie dir. Danke, Henry.« David wedelte mit der Notiz vor dem Gesicht seines Gönners herum. »Ich fahre umgehend nach Washington. Sollte dieser Mann irgendetwas wissen, dann wird er es mir verraten.«
Zwei Tage später saßen David und Rebekka im Zug nach Washington, D. C. In umgekehrter Richtung hatten sie die Strecke schon einmal zurückgelegt – auf ihrer Hochzeitsreise.
»Ich frage mich, ob Brit den Ku-Klux-Klan gemeint hat«, grübelte David laut. Der Zug war nicht sehr voll. Er und Rebekka hatten ein Abteil ganz für sich allein.
»Als er den ›Klan‹ erwähnte, meinst du? Mir ist so, als hättest du mal gesagt, das sei nur ein Haufen verblendeter Rassisten.«
»Nur ist gut! Ich glaube, meine Formulierung lautete damals etwas anders. Es war im August ‘25, wenn ich mich recht entsinne. Angeblich zählte der KKK damals fünf Millionen Mitglieder.«
»Bei ihren Fememorden sollen sie auch Juden gelyncht haben.«
David wusste, wie sehr solche Nachrichten seine Frau schon in Kindestagen beunruhigt hatten. Die Zunahme antisemitischer Tendenzen in Deutschland, Italien, Amerika und in anderen Ländern war für sie, selbst Jüdin, alles andere als nebensächlich. »Keine Angst, Schatz. Es ist nicht gerade so, dass die Klanbrüder in Washington durch die Straßen ziehen und wehrlose Juden, Schwarze und Katholiken abschlachten. Außerdem bin ich ja auch noch da.«
»Willst du etwa den ganzen Klan mit dem Schwert umbringen?«
»Du machst wohl Witze! Welcher Wahnsinnige würde schon fünf Millionen Menschen umbringen wollen? Nein, wir werden heimlich nach Washington hinein- und ebenso unauffällig wieder herausschlüpfen.«
Es sollte sich allerdings schnell zeigen, dass Davids Ermittlungen unerwartet zäh verliefen. Als er mit Rebekka direkt vom Bahnhof zur Washington Post in die Fünfzehnte Straße Nordwest fuhr, war Henry McMillan nicht da. Der für innenpolitische Themen zuständige Chefredakteur hatte kurzfristig nach New York reisen müssen.
»Das gibt’s doch nicht«, knurrte David vor dem Schreibtisch der Sekretärin.
»Sir?«
»Nichts, entschuldigen Sie bitte. Meine Frau und ich kommen nur gerade aus New York, und es ist einigermaßen ärgerlich, dass wir irgendwann heute Morgen an Mr McMillan vorbeigerauscht sein müssen. Wann wird er denn wieder zurück sein?«
»Das stand bei seiner Abreise noch nicht genau fest. Aber er meinte, spätestens am kommenden Montag.«
»Das wäre der 23. September«, murmelte David, »in vier Tagen.«
»Vielleicht aber auch schon früher. Darf ich Mr McMillan eine Nachricht von Ihnen hinterlassen?«
David warf einige Zeilen auf ein Blatt Papier und versprach, sich noch einmal zu melden, sobald er in Washington eine Unterkunft gefunden hätte. Unverrichteter Dinge zogen er und Rebekka wieder ab.
Zwei Stunden später betraten sie eine Pension am Chesapeake & Ohio Canal in Georgetown. Das Viertel hatte schon bessere Tage gesehen. Die meisten Häuser machten einen verwahrlosten Eindruck. Unauffälliger konnte man gar nicht wohnen, dachte David zufrieden, als er Lisa Mangelkramer, einer der beiden Vermieterinnen, die Miete für eine Woche im Voraus in die Hand zählte und sie bat, niemandem etwas von ihren neuen Gästen zu verraten.
Lisa und Karla Mangelkramer waren ledig, klein, mollig, etwa Mitte fünfzig und Zwillinge – vom ondulierten Scheitel bis zum Saum ihrer Schürzen sahen sie völlig gleich aus. Die beiden lebhaften Frauen stammten aus Regensburg in Deutschland, was sie David mit leiser, aber durchdringender Fistelstimme bei erstbester Gelegenheit wissen ließen. Als er sie daraufhin mit Wiener Akzent in Deutsch ansprach, waren sie ganz aus dem Häuschen. David hatte zwei Freundinnen fürs Leben gewonnen.
Am darauf folgenden Tag telefonierte er mit der Redaktion der Post. Mr McMillan werde erst spät am Sonntag zurückerwartet, erklärte die Sekretärin höflich, er bitte den Kollegen vielmals um Entschuldigung und werde ihm am Montagmorgen um neun in der Redaktion zur Verfügung stehen. David bedankte sich und legte auf. Er hatte McMillan ausrichten lassen, dass er für das Time-Magazin arbeite und Schützenhilfe in einer dringenden Angelegenheit benötige.
Rebekka nahm
Weitere Kostenlose Bücher