Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Nehmen wir einmal an, nicht jemand, dem die Pressefreiheit am Herzen liegt, hat sich in diese vorteilhafte Position manövriert, sondern eine oder mehrere Personen, die ausschließlich eigene Interessen verfolgen.«
»Nur eigene Interessen?« McMillan rieb sich den Hals. Dabei musterte er David mit halb zusammengekniffenen Augen. »Worauf wollen Sie wirklich hinaus, Francis?«
»Ich glaube, Sie wissen es bereits. Haben Sie schon einmal den Namen Lucius Kelippoth gehört?«
McMillan zögerte.
Seit Beginn der Unterredung hatte David bewusst seine Gabe der Wahrheitsfindung wirken lassen, nun aber legte er seine ganze Überzeugungskraft in die alles entscheidenden Worte. »Hank, sind Sie nicht auch der Ansicht, eine derartige Konzentration könnte die freie Meinungsäußerung erheblich einschränken? Ja, ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Halten Sie es nicht ebenfalls für möglich, dass ein solches Konglomerat dazu benutzt werden könnte, neue Meinungen überhaupt erst zu schaffen, vielleicht Überzeugungen zu etablieren, die einigen wenigen Vorteile verschaffen, aber viele ins Verderben treiben?«
Jetzt war es McMillan, der sich nach der Tür umschaute.
Er nickte ein-, zweimal schnell hintereinander. »Da muss ich Ihnen voll und ganz beipflichten, Francis. Wie sind Sie dahinter gekommen?«
David versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. »Ich bin Kelippoth und seinen Hintermännern schon eine ganze Weile auf der Spur.« Und dann wagte er einen Schuss ins Blaue. »Was wissen Sie eigentlich über Kelippoths Verbindungen zum Ku-Klux-Klan?«
»Nicht viel. Wie es aussieht, erlaubt ihm sein Anteil an der Post, auf die Richtung des Blattes Einfluss zu nehmen. Ansonsten kann ich nur sehr wenig über diesen Schattenmann sagen. Er…«
»Wie haben Sie ihn gerade genannt?«
»Na ja, er scheint mir die Graue Eminenz hinter allem zu sein. Als ich, eher zufällig, von den Übernahmegerüchten hier im Haus gehört habe, war ich natürlich alarmiert. Ich habe auf eigene Kappe ein paar Nachforschungen angestellt. Anscheinend stammt Kelippoth aus Pulaski, Tennessee. Das ist auch der Ort, in dem eine Gruppe von Veteranen der konföderierten Armee im vorigen Jahrhundert den ersten Klan gegründet hat.«
»Entschuldigen Sie, Hank, ich bin Engländer und nicht so vertraut mit den Feinheiten der amerikanischen Geschichte«, untertrieb David. »Könnte der heutige Ku-Klux-Klan nicht doch irgendwie mit dem alten zusammenhängen?«
McMillan zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Der erste Klan wurde 1866 von einem Kavalleriegeneral der Konföderierten, einem gewissen Nathan B. Forrest, gegründet, der spätere 1915 von einem Prediger namens William J. Simmons. Das sind ziemlich konträre Berufsgruppen, wenn Sie mich fragen.«
»Wirklich? Ich bin mir da gar nicht so sicher. Im letzten Krieg haben Geistliche aller großen Konfessionen die Waffen der Krieg führenden Parteien gesegnet. Ich kann das aus eigener Erfahrung bezeugen.«
»Sie waren im Krieg, Francis?«
David musste lächeln. Es war immer die gleiche Verwunderung, die seine Gesprächspartner angesichts seines jugendlichen Äußeren zeigten. Er nickte. »Zwei Jahre, von 1916 bis 1918… Sie sehen also keine Verbindung zwischen den beiden Klans?«
»Nun, gewisse Ähnlichkeiten in den Anschauungen gibt es schon. Die Vorläuferorganisation war – wie die ›Ritter der Weißen Kamelie‹ – gegen alle aufmüpfigen Schwarzen. Nachdem ihr Ziel, die Wiederherstellung der weißen Vorherrschaft im Süden, so gut wie erreicht war, wurde es ruhig um sie. Als der Oberste Gerichtshof den Klan 1882 für verfassungswidrig erklärte, verschwand er sozusagen in der Versenkung und…«
»Entschuldigung, Hank, wann war das genau?«
»Im Jahr 1882. Wieso?«
»Ach nichts, ich musste nur an ein anderes Ereignis aus diesem Jahr denken.« An die Ausrufung des Jahrhundertplans. Das kann doch kein Zufall sein! Brauchte der Kreis der Dämmerung für sein Vorhaben etwa ein mächtigeres Werkzeug als den alten Ku-Klux-Klan? »Wie ging’s danach weiter?«
McMillan zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, 1915 wurde dann der neue Klan gegründet, der nicht nur eine Abneigung gegen Neger, sondern auch gegen Gewerkschafter, Juden, Katholiken, Bolschewiken und gegen Fremde ganz allgemein pflegt. Man kann ihn fast schon als einen protestantisch-nostalgischen Patriotenverein bezeichnen. Der ruhmvolle alte Süden wird beschworen, man hat Spaß am Tragen weißer
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