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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Worte für Hirohito bedeuteten. Jedermann hofierte ihn. Selbst seine Militärs, die ihren Tenno so schamlos hintergingen, wagten kaum ihm in die Augen zu sehen. Nur sein englischer Jugendfreund nahm kein Blatt vor den Mund.
    Als der Kaiser die Vorwürfe etwas verdaut hatte, fragte er, äußerlich völlig ruhig: »Weshalb hast du dein Leben aufs Spiel gesetzt und bist hierher gekommen?«
    »Weil ich dich an Worte erinnern wollte, die ich dir schon einmal vor langer Zeit gesagt habe. Du musst endlich mit der ganzen Macht des Tennos sprechen und den Frieden erzwingen. Außerdem wirst du deiner Göttlichkeit entsagen müssen.«
    »Wer verlangt das?«
    »Die oberste Führung der alliierten Streitkräfte im Südwestpazifik.«
    »Du sprichst von General Douglas MacArthur. Bist du sein Unterhändler?«
    »Ich komme aus eigenem Antrieb. Der General hat nur dafür gesorgt, dass ich diesen Palast erreiche.«
    »Und General MacArthur verlangt meine Abdankung?«
    »Eigentlich wollte er dich nach dem Sieg vor ein Kriegsgericht stellen lassen, aber ich habe ihn davon überzeugt, dass dies mit ziemlicher Sicherheit zu einem neuen Blutvergießen führen würde. Ich weiß, wie sehr dein Volk dich vergöttert. Nein, General MacArthur verlangt von deinem Land die bedingungslose Kapitulation und von dir die Aufgabe der Göttlichkeit.«
    »Ich habe mich nie wie ein Gott gefühlt, David. Als mein Palast im Frühjahr in Flammen stand, war ich sogar froh, meinem Volk endlich zeigen zu können, dass ich mit ihm litt. Aus demselben Grund hungere ich auch. Wenn ich den Frieden dadurch herbeiführen könnte, dass ich meiner Göttlichkeit entsage, dann täte ich es auf der Stelle…« Hirohitos Stimme verstummte.
    David besaß genügend Informationen über die Lage in Japan, um zu erahnen, was in seinem Freund vorging. Die hiesigen Militärs würden einer bedingungslosen Kapitulation Nippons niemals zustimmen. Das hatte auch Stalin gewusst, als er mit seinen inakzeptablen Forderungen auf der Potsdamer Konferenz die Amerikaner und Briten gegen Japan ausspielte. Für Hirohitos Premierminister Suzuki und den obersten Kriegsrat war die Potsdamer Proklamation schon allein deshalb unannehmbar, weil darin nichts über das zukünftige Schicksal ihres Tennos ausgesagt wurde. Sie weigerten sich strikt einem Abkommen zuzustimmen, das eine Abschaffung des Kaiserhauses zwar nicht erwähnte, aber auch nicht ausdrücklich ausschloss. Die Fronten waren so verhärtet, dass eine Katastrophe unabwendbar schien. Und trotzdem wollte David nicht aufgeben.
    »Deinem Volk droht eine große Gefahr, Hito-kun«, sagte er leise.
    Die dunklen Augen des Kaisers schienen hinter den Brillengläsern größer zu werden. »Was willst du damit andeuten?«
    »Ich kann es selbst nicht genau sagen. Jedenfalls haben die Amerikaner irgendeine schreckliche Aktion im Sinn.
    Unter der Zivilbevölkerung wird es zahlreiche Tote geben. Du hast nicht mehr sehr viel Zeit.«
    »Planen die Amerikaner eine neues Flächenbombardement, so wie im Mai?«
    »Ich weiß es nicht, Hito. Alles, was ich dir sagen kann, ist, dass du bis morgen um Mitternacht Zeit hast, die Bedingungen zu erfüllen. Danach gibt es angeblich kein Zurück mehr. Binnen achtundvierzig Stunden wird der Angriff erfolgen.«
    »Das heißt am 6. oder 7. August.«
    David seufzte. »MacArthur hat mir gesagt, die Pläne sähen den 7. als Angriffstermin vor.«
    »Und welcher Stadt oder Region soll die Operation gelten?«
    »Das darf ich nicht sagen.«
    Hirohito sah David verständnislos an. »Ich denke, du bist zu mir gekommen, um Menschenleben zu retten.«
    »General MacArthur fürchtet, das japanische Militär könnte sich gegen den Angriff wappnen oder versuchen den jeweiligen Ort zu evakuieren. Ich musste ihm schwören, den Namen der Stadt nicht zu nennen. Andernfalls hätte er mich nicht gehen lassen.«
    »Was wiegt schwerer, David-kun, ein gebrochenes Versprechen oder das Leben tausender von Menschen?«
    Eigentlich war das für David keine Frage. Ich muss ihm ja nicht den Namen verraten, »Wenn mir der General die Wahrheit gesagt hat, dann wird der Angriff die westlichste Großstadt auf der Insel Honshu treffen, die über einen bedeutenden Militärstützpunkt verfügt.«
    Hirohito blickte betroffen zu den Bücherregalen hinüber. »Das kann nur Hiroshima sein. Oder sprichst du von Yamaguchi?«
    »Hito, was soll diese Frage? Jeder Versuch, die Stadt zu evakuieren oder mit einem starken Abwehrgürtel zu umgeben, würde nur dazu

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