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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Wahnsinniger in Richtung Innenstadt. Er liebe dieses Automobil, es komme ihm fast vor, als sei es ein Teil von ihm, schwärmte Yamagishi.
    »Wohin fahren wir überhaupt?«, erkundigte sich David. Seine feuchten Hände umklammerten die Haltegriffe. Am Seitenfenster sah er fremde Gesichter vorbeifliegen.
    Der Kamzkaze- Fahrer antwortete: »Das Anwesen Toyamas grenzt an einen weitläufigen, zu einem Schrein gehörenden Bezirk. Wir haben dort einen geheimen Beobachtungsposten in einem alten Wohnhaus eingerichtet. Sie werden gleich Gelegenheit erhalten, alles aus nächster Nähe zu sehen.«
    David wurde gegen die Tür gedrückt, als der Wagen mit quietschenden Reifen in eine enge Kurve ging. Auf dem Gehweg sprang ein Greis mit Stock erstaunlich behände zur Seite. »Ist es einem Ihrer Leute schon einmal gelungen, das Grundstück zu betreten?«
    »Noch nie. Es wird wie die Kroninsignien des Tennos bewacht. Und einen Verbindungsmann in Toyamas Organisation einzuschleusen ist nahezu unmöglich. Die Gesellschaft des Schwarzen Drachen geht mit Verrätern nicht gerade zimperlich um. Es genügt schon der leiseste Verdacht und der Betreffende ist ein toter Mann.«
    »Verlässt Toyama manchmal sein Anwesen?«
    »Offiziell kaum, die Anlässe dafür in den letzten beiden Jahren kann man an einer Hand abzählen. Vielleicht bedient er sich ja irgendwelcher Tricks oder Verkleidungen, um ungesehen heraus- und wieder hineinzukommen. Wir tippen allerdings auf einen Geheimausgang.«
    »Gibt es dafür irgendwelche Anhaltspunkte?«
    »Ich habe ja schon den Schrein erwähnt. Der Priester dort ist uns vor einiger Zeit aufgefallen. Er scheint ein Doppelleben zu führen: Tagsüber verhält er sich wie ein heiliger Mann und nachts verwandelt er sich in einen Liebhaber der süßen Lebensart. Wenn es eine geheime Verbindung zwischen dem Garten des Schreins und Toyamas Anwesen gibt, dann müsste der Priester davon wissen.«
    David drehte sich nach einer Frau um, die zwei kleine schreiende Mädchen beruhigte. »Wie kann ich den Mann finden?«
    »Wenn Sie denken, Sie könnten ihn einfach nach dem geheimen Zugang fragen: Vergessen Sie es.«
    »Ich würde das gerne selbst feststellen. Mir stehen da so gewisse Methoden zur Verfügung…«
    »Chinesische Foltertechniken?«, fragte Yamagishi interessiert.
    »Viel wirkungsvoller. Ich nenne das Verfahren Wahrheitsfindung^«
    »Vermutlich ziemlich schmerzhaft, so harmlos wie das klingt.«
    Wieder blieben Davids Augen an Passanten hängen: Eine ältere Frau, ein junges Ehepaar und zwei Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren liefen neben der Straße her. Alle diese Unschuldigen! Sie dürfen nicht sterben. Hoffentlich kann sich Hito gegenüber seinem Kriegsrat durch setzen. Er seufzte und murmelte leise: »Ein Wort der Wahrheit fügt dem Ohr bisweilen mehr Schmerzen als tausend Lügen zu. Es muss schon den Verstand erreichen, um seine heilende Wirkung zu entfalten.«
     
     
    Der Shintopriester befand sich inmitten einer Gruppe von Menschen, die aus Kobe angereist waren, um den Schrein zu besuchen. Die Gläubigen standen auf dem mit Steinplatten ausgelegten Vorplatz des Heiligtums, einem schlichten Pfahlbau aus Zypressenholz von etwa fünfundzwanzig Metern Länge mit einem geschwungenen Satteldach aus rötlichen Ziegeln.
    David wartete geduldig, bis die Leute ihre Fragen gestellt und der Priester seine Antworten gegeben hatte. Der heilige Mann besaß die Statur eines Sumo-Ringers und einen kahlen Kopf. Sein rundes Gesicht wäre ausgesprochen langweilig gewesen, hätte ihm da nicht diese viel zu kleine Nickelbrille auf der Nase gesessen wie ein silbern schillerndes Insekt. Man musste das Ding einfach anstarren.
    Wer den freundlichen Priester so freimütig über seinen Schrein plaudern hörte, hätte nie gedacht, es mit einem Komplizen Toyamas zu tun zu haben. Offenbar war der Mann nur ein Unersättlicher mehr, den die Gier nach unerlaubten Früchten in Belials Arme getrieben hatte. Wer davon naschen wollte, stellte besser keine Fragen. Leider viel zu viele dachten so. Nur deshalb war der Kreis der Dämmerung so erfolgreich.
    Endlich verabschiedeten sich die Besucher von dem Priester. Davids Beine waren schon ganz taub. Er hatte seit sechsunddreißig Stunden nicht mehr geschlafen.
    »Entschuldigen Sie«, begann David, als endlich der letzte Pilger gegangen war.
    Der Priester wandte sich zu ihm um und lächelte. »Ich nehme an, Sie sind Deutscher. Für einen Ausländer sprechen Sie aber ein ausgezeichnetes

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