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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Japanisch.«
    »Ich könnte mich vielleicht als Berliner bezeichnen. Aber ich habe an vielen Orten gelebt. Mein Name ist Hubert Schneider.«
    »Was kann ich für Sie tun, Schneider-san? «
    David schilderte in eindringlichen Worten sein Anliegen. Dabei ging er in ähnlicher Weise vor wie damals bei Ohei Ozaki. Auch der ehemalige Koch Toyamas war in Wirklichkeit dessen Opfer gewesen. David hatte ihm in Bezug auf seinen Herrn die Augen geöffnet und Ohei daraufhin sofort die Seiten gewechselt. Genau das wollte der Wahrheitsfinder jetzt auch erreichen.
    Ob nun Teruzo, Mitsuru oder Kantaro Toyama – ein und derselbe hatte als Kopf der Amur-Gesellschaft unzählige Menschenleben auf dem Gewissen. Er war nicht der Patriot, für den er sich ausgab, der treue Sohn des Tennos, sondern ein Ränkeschmied, der an Japans schmerzlichem Niedergang wesentlichen Anteil hatte. Eigentlich wollte er die ganze Nation in den Selbstmord treiben. David führte Beweise an, erwähnte jene Hörigen, die Toyama nach dem Munde redeten, Admiral Onishi und General Anami zum Beispiel, beide hatten ein nationales harakiri gefordert.
    Seine offenen Worte blieben bei dem Priester – der übrigens Sumiyoshi Akashi hieß – nicht ohne Wirkung. Je länger David sprach, desto besorgter sah sich der fette Mann um. Schließlich fiel er seinem Besucher ins Wort und flüsterte mit hoher Stimme: »Ich glaube Ihnen, Schneider-san. Einiges von dem, was Sie da sagen, habe ich selbst schon geargwöhnt, aber dessen volle Tragweite nicht verstanden. Jetzt wird mir so manches klar. Aber wir dürfen hier nicht weitersprechen. Im Garten befinden sich noch zu viele Menschen. Kommen Sie morgen früh wieder. Um halb sechs. An der Ostmauer des Parks werden Sie eine unverschlossene Pforte finden. Ich erwarte Sie dann hier im Schrein.«
    Ohne ein Wort des Abschieds drehte sich der Priester um und lief auf seinen kurzen Stummelbeinen zur Tür des Heiligtums. Als er darin verschwunden war, wandte sich auch David zum Gehen.
     
     
    Obwohl er erschöpft war, schlief er fast gar nicht. Sein Lager war ein futon, sein Quartier der geheime Beobachtungsposten gegenüber von Toyamas Refugium. Er schlug sich die ganze Nacht mit seinen Sorgen herum. Als er um vier Uhr morgens aufstand, blieben ihm gerade noch zwanzig Stunden, um rechtzeitig die Rückreise anzutreten und dem Kaiser zur Seite zu stehen, falls dieser sich nicht gegen die Befehlshaber der verschiedenen Teilstreitkräfte und die Chefs der Generalstäbe im Obersten Kriegsrat durchsetzen konnte. Denn sollten diese die sofortige Kapitulation Japans weiterhin blockieren… Was daraufhin geschehen würde, wollte sich David gar nicht erst ausmalen.
    Um seine Lebensgeister zu wecken, aß er etwas in Tee getunkten Zwieback. Dabei wurden letzte Einzelheiten mit Junzo Yamagishi besprochen, der ebenfalls in dem »Observatorium« übernachtet hatte. Kidos Mitarbeiter wollte David unbedingt eine Waffe aufschwatzen, aber dieser lehnte standhaft ab. Kurz nach fünf schlich sich David aus dem zweistöckigen Wohnhaus auf die Straße.
    Es dämmerte bereits, so kam er gut voran. Auf dem Weg zum Seiteneingang des Schreingeländes drehten sich Davids Gedanken um Toyama. Seltsamerweise bereitete ihm die Begegnung mit diesem erbitterten Feind erheblich weniger Kopfzerbrechen als jenes »böse Kind«, das General MacArthur Little Boy genannt hatte.
    Seit dem Tag des Abschieds von Rebekka war eine Wandlung mit David vorgegangen. Er hatte seine frühere Zaghaftigkeit abgestreift und war zu einem beherrschten, unerschrockenen Mann herangereift, der wusste, über welche Fähigkeiten er verfügte. Vorbei war die Zeit, da er seine besonderen Gaben als nahezu wertlos erachtet hatte. Die Siege über Negromanus und den Jesuiten bewiesen, welche Macht in ihm steckte. Dies zu akzeptieren war ihm anfangs schwer gefallen. Er hatte sich sogar vor sich selbst gefürchtet. Doch jetzt näherte sich der Reifungsprozess seinem Ende. Er fürchtete Toyama nicht länger. Auch deshalb hatte er die beiden Schwerter auf Okinawa zurückgelassen.
    David folgte der Mauer, die den Garten des Schreines umgab. Er trug eine weite graue Hose und ein dunkelblaues Hemd mit kurzen Ärmeln. Die Nacht hatte Hiroshima kaum Abkühlung gebracht. Als er die östliche Pforte erreichte, war sie wie angekündigt unverschlossen. Er blickte sich noch einmal um, die Straße schien menschenleer, dann schlüpfte er in den Park.
    Zügig lief er über die Steinplatten eines schmalen Pfades auf

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