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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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den Kopf des Geheimzirkels ankündigen, durch Lord Belial selbst.
    Es hatte David wenig überrascht, dass Negromanus’ sterbliche Überreste noch vor Sonnenaufgang ganz verblasst waren. Aufgrund der Erfahrungen von Blair Castle war er darauf vorbereitet gewesen, hatte sich sogar gezwungen, die letzte Phase der Verwandlung mit anzusehen. Auch Marie war Zeugin dieses unheimlichen Vorgangs: Negromanus’ Kopf und Torso wurden erst grau wie verwittertes Kalkgestein und dann lösten sie sich einfach auf Davids Schwiegermutter litt unter der Schwäche vieler Naturwissenschaftler: Phänomene, die mit den bekannten Naturgesetzen nicht zu fassen waren, verunsicherten sie zutiefst. Nach der Erfahrung mit dem sich verflüchtigenden Leichnam mochte sie daher auch lange nicht Davids Erklärungen zum Verbleib ihrer Küchentür akzeptieren.
    »Du hast was gemacht?«
    »Ich kann Gegenstände oder Lebewesen gewissermaßen aus ihrer Zeit reißen, sie bewegen sich dann langsamer als die Umgebung. Die Erdkugel rast mit über einhunderttausend Stundenkilometern um die Sonne. Ich habe einfach deine Küchentür für einen winzigen Moment im Weltraum angehalten.«
    »Einfach!«, japste Marie. »Aber wie kannst du denn eine durch den Kosmos rasende Tür einfach stillstehen lassen?«
    »Nun, genau genommen habe ich sie nur abgebremst. Wären wir gestern Nacht zu Einsteins Feierstunde gegangen, hätte er uns vielleicht erklären können, dass auch der scheinbare Stillstand nur eine Form der Bewegung ist. Das Sonnensystem…« David stockte. Seine Gedanken waren einfach noch zu durcheinander. »Möglicherweise würde unser Kind noch leben, wenn wir nicht im Theater gewesen wären.«
    Marie schüttelte ärgerlich den Kopf. »Der weise Salomon sagte einmal: ›Zeit und unvorhergesehenes Geschehen trifft sie alle.‹ Gib also bitte nicht dem Theater, Albert Einstein oder gar dir die Schuld an diesem Unglück. Wenn hier jemand an den Pranger gestellt werden kann, dann einzig und allein dieser gasförmige Robenträger.« Sie schüttelte sich. »Ich mag gar nicht daran denken, was in der Nacht hier vorgefallen ist! Niemand würde mir nur ein Wort davon glauben.«
    »Ich möchte dich auch bitten, darüber Stillschweigen zu bewahren. Negromanus scheint mir ein Einzelgänger gewesen zu sein. Im günstigsten Fall weiß nicht einmal Belial, wo genau ihm sein Schatten abhanden gekommen ist. Je weniger Personen also von den Vorgängen der letzten Nacht wissen, desto sicherer werden wir alle vor weiteren Anschlägen sein. Es wäre gut, wenn du das auch dem Hausmädchen begreiflich machen könntest.«
    Marie nickte ernst. »Ich werde gleich mit ihr sprechen. Antoinette ist manchmal etwas einfältig, aber ich bin sicher, das wird sie verstehen.«
     
     
    Die nächsten Tage verbrachte David fast pausenlos an Rebekkas Bett. Obwohl ihn die fürsorgliche Pflege seiner Frau erhebliche Kraft kostete, half sie ihm zugleich die eigene Niedergeschlagenheit aus der Seele zu spülen. Seine neu knospende Zuversicht investierte er sogleich wieder in den liebsten Menschen, den er besaß.
    Die Fehlgeburt und die durch Negromanus erlittenen Verletzungen hatten Rebekka sehr geschwächt. Doch sie sei stark, betonte ihre Mutter, und werde mit Davids Beistand bald wieder auf die Beine kommen. Erstaunlicherweise erholte sie sich sogar schneller, als man das von Davids Schulter behaupten konnte. Körperlich gesehen. Psychisch war der Schaden ungleich größer. Bis diese Wunden geheilt seien, könnten noch Jahre vergehen, sagte Marie voller Mitleid. Vielleicht würde Rebekka die Folgen des traumatischen Erlebnisses in jener furchtbaren Nacht niemals ganz abschütteln können.
    Allein dieser Umstand erfüllte David mit großer Bitterkeit. In dem Maße, wie er die schrecklichen Erlebnisse verarbeitete, wuchs in ihm auch der Wille nun umso entschlossener und härter gegen den Kreis der Dämmerung vorzugehen.
    Bereits zwei Tage nach dem tragischen Vorfall, am 11. November 1929, mietete er eine möblierte Wohnung in der Rue de Bievre an. Angesichts von Negromanus’ letzter Drohung hätte er viel lieber gleich das Land verlassen, aber Rebekkas Verfassung ließ das nicht zu. Wie lange würden sie noch am Leben bleiben, wenn Lord Belial persönlich die Jagd fortsetzte? Beinahe wäre David an der Bezwingung des lebenden Schattens gescheitert. Wie nur sollte er da gegen dessen Herrn bestehen?
    Von der neuen Wohnung nahe beim Boulevard St. Germain waren es nur wenige Gehminuten bis zu

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