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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Maries Utopia. Daher konnte Rebekkas Mutter ihre Patienten fast täglich besuchen. Die erfahrene Ärztin kannte die Seelennot von Frauen, die ein Kind verloren hatten, und sie wusste mit diesem Problem umzugehen. Oft fühlte sich David dann bei den Zwiegesprächen der beiden deplatziert.
    Da also Rebekkas Genesung Fortschritte machte, gab er endlich einem inneren Rufen nach, das ihn auf die Straße lockte. Nicht nach Zerstreuung in seinem Café stand ihm dabei der Sinn – obwohl er sich auch diesen Luxus gelegentlich gönnte –, nein, die ungelösten Rätsel trieben ihn hinaus.
    Obwohl von untergeordneter Bedeutung, gab es da eine Frage, die ihn seit langem peinigte wie ein alter, im Körper verbliebener Granatsplitter: Wo befand sich die Familie von Johannes Nogielsky? Der junge Soldat war bei Hazebrouck gestorben, also in Frankreich. Doch selbst hier in Paris, wo sich die Zentrale des französischen Verwaltungsapparates befand und alle Informationen zusammenliefen, konnte David nichts über den jungen Deutschen in Erfahrung bringen. Irgendwann, tröstete er sich, würde er vielleicht im Heimatland der Nogielskys endlich diese alte Schuld begleichen können.
    Hauptsächlich konzentrierte sich David wieder auf sein vorrangiges Ziel Er suchte zunächst die Sorbonne auf, genauer gesagt die umfangreiche Bibliothek der ehrwürdigen Pariser Universität. Ausgestattet mit einem glaubhaften journalistischen Anliegen und dem Time-Ausweis öffneten sich ihm die umfangreichen Sammlungen.
    Dank Maries Fürsprache wurde ihm außerdem jede nur erdenkliche Unterstützung zuteil. Eine freundliche Bibliothekarin hatte ihre Bestimmung darin entdeckt, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Sie trug einen Pagenschnitt, war brünett und etwas pummelig, aber dennoch ungemein emsig – insgeheim gab ihr David den Namen »Hummelchen«. Er musste nur einen Autor, den Titel eines Werkes oder den Namen eines Fachgebietes nennen und schon wurde er förmlich mit Hummelchens Hilfsbereitschaft überschüttet.
    Palatin. Der Begriff raubte ihm noch den letzten Nerv. Weder der Besuch in der Washingtoner Kongressbibliothek noch die Nachforschungen in Paris hatten diesen Quälgeist besänftigen können. Ein Hügel in der Stadt am Tiber. Na gut. Ein Symbol der Macht, ein Zeichen vielleicht sogar für die Weltherrschaft. Der Kreis der Dämmerung wollte ja genau diese erlangen. Aber wohin sollte er den nächsten Schritt lenken, um dem Plan des Geheimbundes auf die Schliche zu kommen? Nach Rom? Er neigte schon dazu – schlicht aus Mangel an Alternativen –, dieser Antwort den Vorzug zu geben, als er in der Lektüre zur Ewigen Stadt auf den Namen des Baron de Montesquieu stieß. Davids Wohltäterin, die mollige Bibliothekarin, hatte ihm dessen Werk Considerations sur les causes de la grandeur et de la decadence des Romains verordnet. Der »Vater der Gewaltenteilung« befasse sich darin, wie der Titel ja schon sage, mit den Ursachen für Aufstieg und Niedergang der Römer, dozierte Hummelchen.
    David hing mit glasigen Augen an ihren Lippen. Der Niedergang einer Weltmacht! Wer mochte ihn bewirkt haben? Etwa der Kreis der Dämmerung? Ein gewagter Gedanke, der David gleichwohl neuen Auftrieb gab. Er riskierte eine weitere Bitte. Hummelchen flog durch die Regalreihen, ließ sich auf der einen oder anderen Werk eines großen Mannes nieder und lud wenig später ihre Pollen auf Davids Lesetisch ab.
    Auf diese Weise lernte er den Marchese de Bonesana kennen, einen italienischen Kriminologen des achtzehnten Jahrhunderts, der den besagten Montesquieu anhimmelte und mit bürgerlichem Namen Cesare Beccaria hieß. Beachtenswert war für David nur ein winziges Detail aus Beccarias Lebensgeschichte: Er hatte von 1768 bis 1770 eine Professur für öffentliches Recht an der Universität Palatina in Mailand inne…
    Palatina? Davids Herz machte einen Sprung. Brit hatte die letzte Silbe des Wortes verschluckt. Warum sollte er nicht von einer Palatina gesprochen haben! Einer Universität. Einem Hort des Wissens. Das war allemal besser als ein staubiger Ruinenhügel in Rom. Konnte Briton Hadden dort, in Mailand, auf einen entscheidenden Hinweis gestoßen sein? Hochschulen und Bibliotheken – häufig ohnehin eng miteinander verwoben – hatten ihn auf seiner Suche schon oft vorangebracht. Je länger David diesen Gedanken in seinem Hirn hin und her wälzte, desto gewichtiger erschien er ihm.
    Rebekka reagierte auf Davids Mitteilung, sie würden so bald wie möglich nach

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