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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Italien reisen, erstaunlich gelassen. Vielleicht war sie auch einfach noch nicht wieder imstande, starke Gefühle zu zeigen. Im Moment jedoch fühlten sich beide viel zu schwach, um die Strapazen der Reise auf sich nehmen zu können.
    Als Davids Schulter von Marie das Attest »vorläufig geheilt« bekommen hatte, nahm er seine Schwertübungen wieder auf Er musste sich regelrecht dazu zwingen. Vermutlich hätte er seinem Sohn in Zukunft sogar verboten, die Schwerter überhaupt anzurühren. Erstaunlich, wie sehr seine Meinung in diesem Punkt mittlerweile der seiner Mutter glich: Denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen. Allerdings lag diese Überzeugung im steten Widerstreit mit dem Vermächtnis seines Vaters, der sich immer einen wehrhaften Sohn gewünscht hatte. Und solange nicht feststand, ob mit Negromanus’ Ende auch die unmittelbare Bedrohung durch den Kreis der Dämmerung abgewendet war, musste er sich auf das Schlimmste gefasst machen: einen Frontalangriff Lord Belials.
    Während der Herbst in den Winter überging, nutzte David die Zeit der Genesung für seine Nachforschungen. Außerdem feilte er weiter an seinem Französisch, vervollständigte sein Schattenarchiv und durchforstete die Presse nach verräterischen Hinweisen auf den Kreis der Dämmerung.
    Ende November wurde Davids Aufmerksamkeit geweckt, als Le Monde über die Räumung der zweiten Rheinlandzone durch das alliierte Militär berichtete. Ungeachtet dessen blieb der deutsche Protest gegen den in Paris ausgehandelten »Young-Plan«, der die Reparationszahlungen bis ins Jahr 1988 festschrieb, ergebnislos. Das heißt, nicht ganz. Hitlers NSDAP, die zu einem Volksbegehren dagegen getrommelt hatte, bekam in Deutschland nun immer größeren Zulauf.
    Auch aus Japan vernahm David alarmierende Nachrichten. Hirohito sah sich den immer radikaler werdenden Militärs ausgeliefert. Wie befürchtet, war nach dem Sieg über Toyama auch Bewegung in die verschiedenen Geheimgesellschaften gekommen. Mehrere Gruppierungen hatten einen »Dachverein« gegründet, den sie Nikkyo nannten. Diese »Gesamtjapanische Patriotengesellschaft« hatte sich den kodo auf die Fahnen geschrieben, den »Weg des Kaisers«. Dem Verband oblagen in der Hauptsache umfassende Säuberungsaktionen. Schädliche Elemente wurden nachhaltig entfernt. Dazu gehörten Premierminister, Financiers, Industrielle – eben jeder, dem nach Ansicht der Nikkyo-Gesellschaft das nötige Verständnis für die Größe und Erhabenheit Nippons fehlte.
    Diese Entwicklungen, weit außerhalb seines Einflussbereiches, machten David seine Ohnmacht schmerzlich bewusst. Er wünschte nur, die Pariser Zeitungen würden etwas häufiger und ausführlicher über das Land der aufgehenden Sonne berichten. Da war es schon beachtlich, dass sie Nagakos letzter Entbindung überhaupt einige Zeilen widmeten. Hitos zierliche Prinzessin hatte zum vierten Mal eine Tochter zur Welt gebracht. Vermutlich würde der arme Tenno nun wieder wochenlang gebärfreudige Konkubinen zurückweisen müssen.
    Der Anbruch eines neuen Jahrzehnts wurde in der französischen Hauptstadt wie überall auf der Welt mit zwiespältigen Gefühlen zelebriert. Die Weltwirtschaftskrise ließ die Arbeitslosenzahlen immer noch ansteigen. Aber irgendwann musste es ja auch wieder besser werden. Hoffnung und Herausforderung spielten daher die Musik zur Geburt der Dreißigerjahre.
    David war schon ganz auf sein nächstes Ziel fixiert. Am 6. Januar 1930 brach er mit Rebekka nach Mailand auf. Marie hätte ihre Lieben gerne noch etwas länger bei sich gewusst, aber den Schwiegersohn konnte nichts mehr in jener Stadt halten, die seinem Erstgeborenen zum Grab und ihm selbst zu einem Sinnbild der Furcht geworden war. David ermahnte sich, bei klarem Verstand zu bleiben und nicht dem gleichen Wahn zu verfallen, der einst den Vater gelähmt hatte, doch in seiner Einbildung war der Eiffelturm längst zu einem Nistplatz des Bösen geworden, auf dem in luftiger Höhe finstere Geschöpfe thronten und jeden seiner Schritte beobachteten. Kein Wunder, dass er so schnell wie möglich fliehen wollte.
    Über Straßburg ging es mit dem Zug auf deutscher Seite das Rheintal hinab bis nach Basel, von dort über Luzern und Lugano zur italienischen Grenze und von hier aus war es nur noch ein Katzensprung bis nach Mailand.
    Das Paar schlug sein Quartier an der Piazza Leonardo da Vinci auf, einem ruhigen Platz außerhalb des Stadtkerns. Sie wohnten bei Professore

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