Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
auch fähig sein, Belials Herrenrunde bloßzustellen?«
Ruben stülpte die Unterlippe vor und nickte langsam. Lorenzo lächelte amüsiert. Und David schüttelte den Kopf.
»Es gibt ein japanisches Sprichwort, Freunde: ›Wenn du alt bist, gehorche deinen Kindern.‹«
Am Telefon machte Davy Pearson einen vernünftigen Eindruck. Er versprach, bis zum vereinbarten Gespräch keine weiteren Informationen über David Pratt in Umlauf zu bringen. Als David den Hörer auflegte und Mias fragenden Blick bemerkte, lächelte er. Er war jetzt wieder zuversichtlicher.
»Pearson wird mit uns sprechen und bis dahin keine weiteren Fakten über mich veröffentlichen. Morgen nehmen wir die erste Maschine nach Sydney. Er holt uns sogar vom Flughafen ab.«
Mias dunkle Augen funkelten bedrohlich. »Das ist wirklich praktisch. Dann kann ich diesen Voyeur gleich hinter dem Zollschalter in die Mangel nehmen.«
Als die Maschine der Qantas auf dem Flughafen von Sydney landete, glaubte David seine Enkeltochter so weit beruhigt zu haben, dass sie von blutigen Begrüßungsritualen Abstand nehmen würde. Aber völlig sicher war er sich nicht. Davy Pearsons Vergehen, seine Enthüllungsstory über David Pratt, schien auf ihrer persönlichen Werteskala gleich hinter Massenmord zu rangieren.
Als sie die Zöllner hinter sich gelassen hatten, entdeckten sie schnell in dem unvermeidlichen Gesichtermeer der Empfangshalle einen aschblonden Haarschopf, der ein braun gebranntes Gesicht zierte, und daneben ein weißes Schild mit einer geheimnisvollen Botschaft.
D. P. heißt D. P. willkommen
»Das muss er sein«, knurrte Mia und stieß ihrem Großvater den Ellbogen in die Rippen.
David konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Wird mir erst jetzt richtig klar, dass dieser Surfer die gleichen Initialen wie ich hat.«
Strahlend, als gelte es einen Lebensretter zu begrüßen, ging David auf den Computerspezialisten zu. In einer entspannten Atmosphäre ließen sich schließlich unangenehme Dinge erheblich leichter regeln.
Davids Surfer-Vergleich hatte durchaus etwas für sich. Davy Pearson sah aus, als bringe er den ganzen Tag damit zu, auf einem Surfbrett weiße Haie auszutricksen. Er trug kakifarbene Baumwollhosen, eine offen stehende ärmellose Steppweste und – obwohl in Sydney bereits der Winter Einzug hielt – auch ein kurzärmeliges dunkelblaues Poloshirt, das schon an die tausend Wasserkontakte gehabt haben musste. Darunter kamen die muskulösen braunen, dicht behaarten Arme eindrucksvoll zur Geltung. Angesichts seines Haupthaars wären labile Coiffeure zweifellos einer hemmungslosen Arbeitswut anheim gefallen: Der Wildwuchs, unter dem die Ohren bestenfalls zu erahnen waren und der vermutlich nur hin und wieder mit einem Buschmesser auf Kragenhöhe gestutzt wurde, lud unweigerlich zum Kahlschlag ein. Im Gesicht des Australiers wucherte ein kurzer, aber ungemein dichter Vollbart. Die frei liegenden Hautpartien darüber wirkten wie gesandstrahlt – man hätte glauben können, Pearson sei gerade erst von einer Saharaexpedition heimgekehrt. Er mochte knapp einen Meter neunzig groß sein, hatte breite, leicht hängende Schultern, aber kein Gramm Fett zu viel auf den Rippen. Seine Augen strahlten die Neuankömmlinge ozeanblau und offen an.
Mia ging geradewegs auf Pearson zu, dachte aber gar nicht daran, dessen ausgestreckte Hand zu ergreifen. »Sie müssen dieser Mensch sein, der seine Nase mit Vorliebe in anderer Leute Angelegenheiten steckt.«
Ein Ausdruck von Verwirrung huschte über das Gesicht des Australiers. Offenbar hatte er mit einer anderen Begrüßung gerechnet. Doch er fing sich erstaunlich schnell. Schlagfertig, mit einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen, erwiderte er: »Und Sie müssen Mr Pratts Enkeltochter sein, die immer noch am Rockzipfel ihres Großvaters hängt.«
Mia schnappte nach Luft, aber bevor sie etwas antworten konnte, warf sich David in die Bresche. »Nehmen Sie es ihr nicht übel, Mr Pearson. Meine Enkelin ist immer sehr auf mein Wohl bedacht und hat deswegen Ihren letzten Artikel im Sydney Morning Herold als relativ unglücklich empfunden. Offen gestanden ging es mir ähnlich.«
Pearson lächelte verlegen. »Das tut mir Leid, Mr Pratt. Ehrlich gesagt bin ich ein großer Bewunderer von Ihnen. Für mich ist es eine besondere Ehre, sie persönlich kennen lernen zu dürfen.«
»Nach der Lektüre Ihrer Story war ich ebenfalls neugierig auf deren Urheber. Ich bin schon ganz versessen darauf, Näheres
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