Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
auf die sich langsam entfernende Stadt.
Eine Zeit lang schwiegen die drei Insassen des Flugzeuges. Der Motorenlärm ließ ohnehin jede längere Unterhaltung in Heiserkeit enden. Bald überquerten sie die Blue Mountains und folgten dem Lauf des Lachlan in Richtung Westen. Etwa drei Stunden später tauchte unter der Baron ein dünnes, in der Sonne glitzerndes Band auf.
»Hier beginnt Billabong Meadows«, erläuterte Pearson und deutete mit dem Kinn nach unten. »Das da unten ist unser Dingozaun. Er hält die Wildhunde von den Schafen ab.«
David konnte weder im Norden noch im Süden ein Ende des Maschendrahtzaunes erkennen. »Ihr Weideland muss ziemlich groß sein.«
»Manche der Zäune sind mehrere tausend Kilometer lang. Für australische Verhältnisse ist meine Farm aber klein und gemütlich. Sie befindet sich bereits seit der dritten Generation in Familienbesitz. Mein Großvater war eigentlich Opalsucher und hat bei Coober Pedy in South Australia sein Glück gemacht. Die Halbedelsteine sind noch heute meine Haupteinnahmequelle, die Schafhaltung eher Familientradition.«
»Ein Schafe züchtender Minenbesitzer und Computer-Spezialist, der sich nebenbei als Journalist verdingt – eine nicht gerade alltägliche Mischung, Mr Pearson.«
»Sagen Sie doch bitte Davy zu mir.«
»Gern, wenn Sie mich David nennen.«
Davy Pearson strahlte. Er schien sich über die Jovialität des prominenten Kollegen ehrlich zu freuen. »Was Ihre letzte Bemerkung betrifft, David: Ich habe einen sehr guten Verwalter. Sie werden Bruce ja bald kennen lernen. Er nimmt mir die meisten Entscheidungen ab, so kann ich mich ganz auf die mir wichtigen Sachen konzentrieren.«
»Etwa auf die Kompromittierung wehrloser Zeitgenossen?« Das kam von Mia, die sich von hinten an die beiden Männer im Cockpit herangeschlichen hatte.
»Das ist nur eines meiner Hobbys, Miss Rosenbaum«, erwiderte Davy über die Schulter hinweg. »Nach meinem Informatikstudium in Berkeley war ich zwei Jahre Aktivist bei Greenpeace. Hab mich bei Sturm an Schornsteine gekettet, bei schwerer See ausgediente Bohrinseln besetzt, Öltanker im Schlauchboot attackiert.« Er zuckte mit den Schultern. »Das Übliche eben.«
»Was für ein Held!«, schnaubte Mia.
»So bin ich mir nicht vorgekommen«, widersprach Davy. »Allerdings ist mir irgendwann das ziemlich militante Umweltschutzgetue meiner Mitaktivisten gegen den Strich gegangen. Ich bin eher für die leiseren Töne.«
»Das muss mir bisher entgangen sein«, überschrie Mia den Motor.
»Ist wohl ein Merkmal unserer Zeit, dass vorschnell über andere Menschen geurteilt wird.«
Mia fiel einmal mehr der Kinnladen herunter, aber ehe die beiden Streithähne erneut aufeinander losgehen konnten, fragte David: »Und seitdem surfen Sie durch das Internet?«
»Was ich tue, macht mir zwar Spaß, ist aber mehr als Liebhaberei, David, Sagt Ihnen die Bezeichnung ethical hacker etwas?«
»Helfen Sie mir auf die Sprünge.«
»Ich dringe in fremde Computersysteme und Netzwerke ein, aber nicht, um deren Betreiber zu schädigen, sondern weil sie mich dafür bezahlen.«
»Das müssen Sie mir genauer erklären.«
»Durch die weltweite Vernetzung wächst das Risiko von Angriffen aus dem Cyberspace, der Welt des Internet. Ob nun Industriespione, neugierige Geheimdienste, Terroristen oder übermütige Computerkids – die Sicherheit von Unternehmensdaten wird von vielen Seiten her bedroht. Ich zeige Firmen und auch anderen Organisationen Schwachstellen in ihren Systemen auf, indem ich in sie eindringe, Informationen manipuliere oder kleine Beutestücke mitnehme.«
»Was lassen Sie denn so ›mitgehen‹?«
»Die Zielkoordinaten amerikanischer Interkontinentalraketen zum Beispiel.«
»Sie scherzen!«
Wieder zuckte Davy die Achseln, »Das Pentagon ist ein schlampiger Laden, Da liegen Sachen herum – ich kann Ihnen sagen!«
»Und wie sind Sie an all diese Informationen über meinen Großvater gekommen?«, fragte Mia von hinten.
»Das erkläre ich Ihnen gleich, Miss Rosenbaum. Lassen Sie uns zuerst diesen Vogel hier wieder heil auf die Erde bringen.«
David sah, wie sich seine Enkelin mit einem auffällig blassen Gesicht auf ihren Sitz zurückzog. Sie zurrte den Gurt fest und warf bange Blicke nach unten.
Eine knappe halbe Stunde nach Überfliegen des Dingozaunes tauchte inmitten eines weiten Graslandes ein weinrotes Farmhaus mit zahlreichen Ställen und Wirtschaftsgebäuden auf Davy drehte eine Runde über den Komplex und von unten
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