Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
über Ihre Recherchen zu erfahren.«
»Sie sagten mir am Telefon, Sie hätten gewisse Sicherheitsbedenken, was unser Treffen anbelangt. Bisher scheint mir niemand gefolgt zu sein, aber ich schlage trotzdem vor, wir verschwinden hier erst einmal. Mir wäre es lieb, wenn wir unsere Besprechung in meinem Büro fortsetzen könnten.«
Mia hatte sich von Pearsons verbaler Riposte inzwischen weit genug erholt, um sagen zu können: »Dann fahren wir jetzt vermutlich zum Strand und setzen uns alle auf Ihr Surfbrett?«
»Knapp daneben, Lady Dingo. Wir steigen jetzt in meine Mühle und ich bringe Sie und Ihren Großpapa nach Billabong Meadows.«
»Natürlich! Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen? Sie hausen auf einer Wiese.«
Pearson grinste. »So ungefähr. Meine Farm liegt gut achthundert Kilometer westlich von Sydney. Der ›Rasen‹, auf dem meine sechzigtausend Schäfchen grasen, ist siebentausend Quadratkilometer groß. Ich schätze, die vierbeinigen Wollfabriken werden uns schon noch irgendwo ein Plätzchen zum Picknicken gelassen haben.«
Mias Kinnladen klappte herunter.
»Darf ich Ihren Koffer tragen, Lady Dingo?«
Fast schon hatte Pearson das kleine Gepäckstück an sich gebracht, als Mia es ihm wieder entriss. Mit erhobenem Kinn stapfte sie davon.
»Lady Dingo!«, rief Pearson ihr hinterher.
Mia blieb stehen, drehte sich um und funkelte den Blondschopf bedrohlich an. »Mein Name ist Mia Rosenbaum. Was wollen Sie?«
Pearson deutete in die entgegengesetzte Richtung. »Wir müssen da lang.«
Die junge Frau schnaubte etwas Unverständliches und rauschte davon.
David ließ sich seinen Koffer von dem Australier widerstandslos abnehmen und die beiden nahmen die Verfolgung auf. »Ist sie eigentlich immer so?«, fragte Pearson.
»Nur, wenn etwas sie verunsichert hat.«
Der Australier musterte demonstrativ das Gewusel der Flughafenbesucher. »Ich wüsste nicht, was Ihre Enkelin hier irritiert haben könnte.«
David blickte schmunzelnd in Pearsons strahlend blaue Augen. Der sympathische, aber ziemlich abenteuerlich wirkende Australier war tatsächlich etwas anders als die gestriegelten und geschniegelten Männer, deren plumpe Annäherungsversuche Mia sonst abwehren musste. »Warum haben Sie meine Enkeltochter übrigens ›Lady Dingo‹ genannt?«
Pearson zuckte die Achseln. »War nur so ‘ne spontane Assoziation. Dingos sind Wildhunde, raubgierig wie Wölfe. Ein Dingo kann in einer einzigen Nacht einhundert Schafe reißen.«
»Ich gebe Ihnen einen Tipp. Wenn Sie nicht das einhundertunderste Schaf werden wollen, sollten Sie meine Enkelin besser nicht mehr ›Lady Dingo‹ nennen.«
Davy Pearson besaß einen fliegenden Oldtimer, eine fünfunddreißig Jahre alte Beechcraft Baron, die sich glücklicherweise in besserem Zustand befand als seine ausgewaschene Garderobe. Die zweimotorige Propellermaschine parkte auf einem abseits gelegenen Platz. Nachdem das Gepäck verstaut, ein jeder angeschnallt und die Starterlaubnis erteilt war, erhob sich der sechssitzige Tiefdecker in den klaren Winterhimmel über Sydney.
»Waren Sie früher schon einmal in Australien?«, fragte Pearson und zog eine weite Schleife über die – wie es hieß – schönste Stadt des Kontinents.
»Einmal in Melbourne«, antwortete David, der neben dem Piloten Platz genommen hatte. »Ansonsten ist der Kontinent für mich ein unbekanntes Land, die sprich wörtliche Terra australis incognita.«
Pearson lachte. »Da geht es Ihnen wie vielen, das sind wir Aussies gewohnt. Wir befinden uns auf dem Globus eben nur down under, irgendwo da unten, wo niemand hinsieht. Aber das wird sich hoffentlich bald ändern. Schauen Sie, dort.« Der Pilot deutete aus dem Fenster.
David sah eine riesige Sportarena. »Das neue Olympiastadion, nicht wahr?«
Pearson nickte. »Es ist schon so gut wie fertig. Von den XXVII. Olympischen Spielen im nächsten Jahr verspricht sich Australien mehr Beachtung in der Welt. Der wichtigste Grund für Olympia 2000 ist natürlich ein ganz anderer.«
»Der friedliche Wettstreit der Jugend der Welt.«
»Von wegen! Politik und Kommerz haben die Spiele doch längst vereinnahmt. Nein, ich rede von dem ewigen Konkurrenzkampf zwischen den beiden größten Städten dieses Kontinents. Melbourne hat die Spiele ja schon 1956 gehabt. Jetzt werden die Sydneysider mal wieder beweisen, dass sie alles viel besser können.«
»Wer?«
»So nennen sich die Einwohner des Großraumes Sydney.«
»Ach!« David blickte nachdenklich
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