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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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westeuropäische Städte erhalten. Zwar wurde die Nachricht mittags schon wieder dementiert, aber dafür verkündete Boris Jelzin im Fernsehen, Russland werde Serbien im Kosovokonflikt notfalls zu Hilfe kommen. Das, so machte er mit grimmigem Gesicht deutlich, könne einen europäischen, wenn nicht sogar einen dritten Weltkrieg heraufbeschwören.
    Am 11. Mai traf David dann der nächste Punch. Indien hatte drei Atombomben gezündet. Nur siebzehn Tage später landete Hieb drei: Pakistan hatte mit fünf nuklearen Versuchen nachgezogen.
    »Ich habe mich verzettelt«, zeterte David. Er stand auf der Veranda des Farmhauses in Westport und ballte ohnmächtig die Fäuste. In den vergangenen Tagen hatte sich sein Zustand dramatisch verschlechtert. Wie in einer Sanduhr sah er seine letzten Lebenskörnchen verrinnen, ohne den schon so nahe gewähnten Sieg über Belial erringen zu können. Wenn ich dieses Stundenglas nur noch einmal umdrehen könnte!
    Lorenzo saß auf einer Bank und beobachtete ihn. Mia und Kim versuchten ihn zu beruhigen.
    »Uns bleibt noch mehr als ein halbes Jahr«, sagte die Eurasierin.
    »Kein Läufer, der etwas auf sich hält, gibt vor der Ziellinie auf«, schlug Mia in dieselbe Kerbe. »Wir können es immer noch schaffen.«
    In diesem Moment fuhr ein Taxi vor. Ein kleiner Mann mit grau meliertem Haar stieg aus. Es war Ruben Rubinstein. In einer Hand hielt er einen Gehstock, in der anderen eine Zeitung. Seit einiger Zeit fuhr der Maler wieder öfters aufs Land, um seine Freunde zu besuchen. Das Leben in New York war ihm zu hektisch geworden. Er trug sich sogar mit dem Gedanken, nach Deutschland zurückzukehren, um sein Wissen und seine Fähigkeiten an einen Schüler weiterzugeben. Aber im Augenblick beschäftigte ihn etwas anderes. Schon von weitem wedelte er aufgeregt mit der Zeitung.
    »Was ist denn los mit dir?«, fragte David, durchaus dankbar für die Ablenkung. Endlich überwand Ruben die letzten drei Stufen zur Veranda und warf die Zeitung auf den runden Rattantisch. »Da, lest selbst.«
    Alle beugten sich über das Blatt. »The Sydney Morning Herald!«, wunderte sich Kim. »Seit wann liest du australische Zeitungen?«
    »Schmonzes! Nicht um die Zeitung geht es – die habe ich von einem Freund –, sondern um die Schlagzeile.«
    David hatte sie längst gesehen. Ihm wurde heiß und kalt.
     
    JOURNALISTENLEGENDE DAVID PRATT
    SO ALT WIE DAS JAHRHUNDERT
     
    Hastig überflog David den Artikel. Ironischerweise hieß der Koautor Davy Pearson. Ein Hacker, der es geschafft hatte, dem Internet erschreckend viele Details aus Davids Leben zu entreißen. Durch Wortschatzanalysen hatte er die Spur des David Pratt bis zu dessen Anfängen beim Time-Magazin zurückverfolgt. Eine ganze Reihe seiner Pseudonyme standen in dem Artikel. Eine Katastrophe!
    »Jetzt ist es raus«, murmelte David benommen. »Ich bin ein gläserner Mensch.«
    »Irgendwann musste das ja passieren«, gab ihm Lorenzo Recht. »Hier steht zwar nichts von unserer Farm, aber ich denke, du solltest dennoch sofort untertauchen.«
    David nickte.
    »Am besten lasse ich neben Rebekka schon einmal ein zweites Grab ausheben.«
    Mia stieß ein Schnauben aus. Man konnte ihr ansehen, wie sehr ihr Davids Schicksalsergebenheit missfiel Sie baute sich vor ihm auf, die Fäuste in die Seiten gestemmt, und funkelte ihn aus ihren dunklen Augen zornig an. »Was soll das, Großvater? Du lässt dir doch nicht von so einem grünen Jungen den Schneid abkaufen. Dieser Pearson hat einen Zufallstreffer gelandet, na schön. Aber…«
    »Aber was ist, Mia, wenn er kein blindes Huhn ist, das auch mal ein Korn gefunden hat? Dann wird er vielleicht schon in ein paar Tagen neue Geheimnisse über mich ausplaudern. Er wird meinen Kopf Belial auf einem silbernen Tablett servieren. Lorenzo hat Recht. Er hat immer…«
    »Diesmal nicht!«, unterbrach Mia wütend ihren Großvater. Schon im nächsten Moment wich ihre Zornesmiene allerdings einem flehentlichen Blick. »Du darfst jetzt nicht aufstecken, Großpapa. Vielleicht kann uns dieser Hacker ja sogar von Nutzen sein.«
    Kim hatte die Arme über der Brust verschränkt und nickte. David, Lorenzo und Ruben wechselten fragende Blicke. Ihre weibliche Logik wollte sich ihnen nicht erschließen.
    »Wie meinst du das, Kleines?«, fragte David vorsichtig.
    Mia lächelte grimmig. »Na, ganz einfach. Wenn dieser Typ wirklich so gescheit ist und herausfinden kann, was nicht einmal dem Kreis der Dämmerung gelungen ist, warum soll er nicht

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