Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
ein bisher ungelöstes Rätsel zu lüften: Wo arbeitete Adolf Eichmann? Immerhin war diese Frage nicht ganz ohne Bedeutung. Keiner konnte schließlich sagen, ob sich die Wohngegend der Familie Klement überhaupt für eine Entführung eignete. Sollte David aber sein Rätsel lösen, konnte man den Nazi viel besser ausspionieren und ihn vielleicht sogar irgendwo auf dem Weg zur Arbeit in ein Auto zerren.
David erinnerte sich des Bankiers Horst Carlos Fuldner, des Eigentümers von CAPRI. Ihn persönlich anzusprechen wagte er nicht, stand ihm doch der Bombenanschlag von La Bocca nur allzu gut vor Augen. Irgendjemand musste ihn ja verraten haben. Aber Mitte der fünfziger Jahre war David vielen Mitarbeitern des Fuldner-Imperiums begegnet und an ein paar davon wandte er sich jetzt. Es dauerte nicht lange und er hatte einige brauchbare Hinweise. Eichmann arbeite jetzt in Tucuman, bestätigten schließlich zwei voneinander unabhängige Quellen.
Zur gleichen Zeit machte auch Zvis Team Fortschritte. Am 10. März konnten sich die Verfolger erneut an das Moped mit den beiden Männern hängen. Ohne Begräbniszug und Motoraussetzer folgten sie ihm auf der Route 202 durch San Fernando. Die Straße führte nach Bancalari und Don Torcuato. Es war bereits nach Einbruch der Dunkelheit; sie hatten den Sicherheitsabstand vergrößern müssen. Ungefähr hundertfünfzig Meter vor einem Bahndamm und einer großen Brücke hielt die Motonetta neben einem kleinen Kiosk. Die Verfolger parkten ihr Fahrzeug in einem unbefestigten Weg und liefen zur Hauptstraße zurück. In dem schwachen Licht konnten sie nicht mehr viel erkennen. Der Fahrer des Mopeds stand noch immer beim Kiosk, aber sein Begleiter war irgendwo in der Umgebung verschwunden. Nun lenkte auch der vorher Zurückgebliebene seine Motonetta in eine Nebenstraße – Avellaneda genannt – und blieb nach ungefähr einhundertfünfzig Metern vor einer kleinen Holzhütte stehen. An diesem Abend gewann Zvis Team keine weiteren Erkenntnisse mehr, aber für David war das Tagesergebnis immerhin ein Teilerfolg.
» Die Gegend ist Niemandsland. Es gibt dort weder Strom noch Wasser. Sie liegt ungefähr fünfunddreißig Kilometer nördlich von Buenos Aires, genau zwischen San Fernando und Don Torcuato«, beschloss Zvi seinen Bericht.
»Das erklärt auch die unterschiedlichen Aussagen zur neuen Adresse der Klements. Wir dachten, man habe uns täuschen wollen, dabei ist es einfach sehr schwierig, den Wohnort genau zu beschreiben. Eichmann muss irgendwo in der Nähe des Kiosks wohnen, wo ihr Dieter aus den Augen verloren habt.«
David war aufgeregt. Er wollte unbedingt dabei sein, wenn der nächste und, wie alle hofften, erfolgreiche Einsatz stattfand. Und diesmal ließ er sich wirklich nicht abwimmeln. Zvi gab schließlich widerstrebend nach. Er war in keiner sehr guten Verfassung. Die Observierung Dieter Eichmanns dauerte ihm schon zu lange: zu viele Beteiligte; die Gefahr einer Entdeckung wurde mit jedem Tag größer. Um jede Option zu nutzen, schickte er noch einmal Alberto in die Calle Chacabuco. Möglicherweise ließ sich die Adresse der Klements ja doch noch auf eine andere Weise herausfinden.
Albertos Bericht beflügelte die müden Nazijäger. Er habe den Maler wiedergetroffen, der ihm schon beim ersten Mal vom Umzug der Klements erzählt hatte, und – siehe da! – jetzt sei er gesprächiger gewesen. Der Handwerker hatte ihm den Weg zu der deutschen Familie folgendermaßen beschrieben: Geh zum Bahnhof San Fernando, nimm den Collectivo Nummer 203, bezahle vier Peso fünfzig und bitte den Fahrer, dich an der Avellaneda herauszulassen. Nach dem Aussteigen überquerst du die Straße und da siehst du auch schon einen Kiosk. Der Besitzer wird dir das Haus des Deutschen zeigen. Du kannst aber auch einfach von der Bude aus nach rechts schauen, dann hast du »Klements Hazienda« bereits vor dir: flaches Dach, aus Ziegelsteinen errichtet, unverputzt.
Angespornt vom guten Verlauf seiner Ermittlungen besuchte Alberto anschließend noch einmal die Autowerkstatt, in der Dieter Eichmann arbeitete. Er komme im Auftrag einer jungen Frau, die vor kurzem ein Feuerzeug an einen Nikolas Eichmann geschickt habe, das aber nie angekommen sei. Er, Alberto, müsse unbedingt den Wohnort dieses Nikolas erfahren, um die Sache aufzuklären.
Der blonde Deutsche gab sich misstrauisch, rückte aber schließlich doch die Adresse heraus: General Paz 30-30. Dann fragte Alberto auch noch nach Herrn Klement – den Vater
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