Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
werden noch einmal jemand in das Haus schicken, und diesmal fragen wir direkt nach Ricardo Klement.«
»Und wenn Eichmann dort einen Spitzel hat? Er könnte gewarnt werden und fliehen.«
Zvi zupfte nachdenklich an einer Augenbraue herum. »Ich glaube, da fällt mir schon etwas ein.«
Am 3. März hatte Klaus, Eichmanns ältester Sohn, Geburtstag. Zvi ergriff die Gelegenheit. Er kaufte ein teures Feuerzeug und ließ eine herzerwärmende Widmung darauf gravieren.
Meinem Freund Nick,
in Freundschaft zu seinem Geburtstag
Mit diesem Präsent schickte er am nächsten Tag einen neuen Agenten in die Calle Chacabuco 4261. Rodriguez war Fotograf und konnte sehr überzeugend lügen. Selbstsicher marschierte er in das besagte Haus und fand zwei Maler beim Renovieren einer leer stehenden Wohnung. Ihnen erzählte er von einem wunderschönen Mädchen, das einem Jungen namens Nikolas Klement verfallen sei und ihre unsagbare Liebe anlässlich seines Geburtstags unbedingt in einem Geschenk ausdrücken wolle. Weil ebenjener Festtag eigentlich schon der Vergangenheit angehöre, sei höchste Eile geboten.
Einer der Maler erinnerte sich an die Klements. Deutsche seien das gewesen. Sie hätten tatsächlich in der Wohnung gelebt, seien jetzt aber weggezogen. Wohin wisse er nicht.
Dafür meldete sich jetzt der zweite Maler zu Wort. Soviel er wisse, lebten die Klements jetzt in San Fernando, schwer zu beschreiben, wie er, Rodriguez, dorthin kommen könne. Auf jeden Fall müsse er den Bus nehmen, den Collectivo Nummer 60.
Rodriguez wollte sich schon mit der mageren Beute zufrieden geben, als dem zweiten Maler doch noch etwas Wichtiges einfiel.
»Einer von Klements Söhnen arbeitet noch hier. Gleich auf der anderen Straßenseite.« Er wandte sich an seinen Kollegen. »Warum gehst du nicht mit und zeigst dem jungen Burschen, wo diese Werkstatt ist?«
David und Zvi beobachteten, wie Rodriguez und ein mit Farbe bespritzter Mann die Chacabuco überquerten und bis zur etwa dreißig Meter entfernten Parana-Straße liefen. Dort gab es eine kleine Autowerkstatt. Einige Zeit später trat zunächst der Maler wieder auf die Straße und bald auch der Lügenfotograf.
»Im Haus hat man mir gesagt, die Klements seien nach San Fernando gezogen«, berichtete er schließlich aufgeregt. Aber einer von Klements Söhnen arbeite noch hier, habe er erfahren und sei von einem der Maler in die Werkstatt geführt worden. Dort habe er auf ein Moped der Marke Motonetta, Typ Siambetta 150 Sport, gezeigt. Das gehöre Klements Sohn. Dann sei tatsächlich ein junger Mann auf der Bildfläche erschienen: deutsches Aussehen, gekleidet wie ein Mechaniker, freundlich, aber auch zurückhaltend. Sein Name sei schwer zu verstehen gewesen: Tito, Dito oder so ähnlich. Zvis Augen leuchteten auf. Eichmanns dritter Sohn heiße Dieter. Wie habe der denn auf Rodriguez’ Finte reagiert? Er behauptete, sagte der Fotograf, der Empfänger des Geburtstagsgeschenks wohne jetzt in Don Torcuato, wo die Straßen keine Namen hätten. Wie man ihn finden könne, wollte er nicht verraten, aber das Feuerzeug habe er trotzdem angenommen.
»Was hältst du davon?«, fragte David den Agenten, nachdem sie Rodriguez am Busbahnhof abgesetzt hatten.
»Hört sich nach einer Verneblungsaktion an.« Zvi saß am Steuer. Er beugte sich zum Beifahrersitz hinüber, öffnete das Handschuhfach und warf David einen Stadtplan von Buenos Aires in den Schoß. »Schau mal nach, wo Don Torcuato liegt.«
»San Fernando ist ganz im Norden und Don Torcuato liegt ungefähr fünf Kilometer südwestlich davon.«
Zvi bremste an einer roten Ampel und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. Nach einer Weile sagte er: »Ich werde noch jemand anderen nach Vincente Lopez schicken, um mir Gewissheit zu verschaffen, aber eines dürfte bereits jetzt sicher sein: Wir haben eine Verbindung zu Eichmann. Es ist nur noch eine Frage von Tagen, bis wir seine richtige Adresse finden.«
»Das Beste wird sein, wir hängen uns morgen nach Feierabend an diesen Dieter.«
Zvi lachte. »Man merkt, dass du ein Amateur bist. Wenn Eichmanns Junior den Braten nicht riechen soll, dann brauchen wir ein ganzes Observierungsteam. Das erfordert gute Vorbereitung. Aber lass mich nur machen. Wir werden den Fisch schon fangen.«
Ein weiterer Laienspieler des Mossad-Ensembles konnte die bisherigen Ermittlungsergebnisse erhärten: Ricardo Klement hatte tatsächlich in der Calle Chacabuco gewohnt. Er habe drei erwachsene Söhne:
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