Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
also –, falls das Mädchen keine Ruhe geben sollte. Sein Vater halte sich geschäftlich in Tucuman auf, erwiderte Dieter kurz angebunden, und er wisse auch nicht, wann er zurückkomme.
»Das alles bestätigt unsere bisherigen Beobachtungen«, sagte Zvi zufrieden. »Wir müssen Eichmanns Haus schon ganz nahe gewesen sein!«
Alberto hob nur die Schultern und grinste.
»Allerdings haben wir jetzt ein Problem«, gab David zu bedenken. »Die beste Gelegenheit für den Zugriff auf Eichmann wird sich uns wohl dort bieten, wo er sich häufig in der Öffentlichkeit zeigt. Was ist, wenn er wieder eine feste Anstellung in Tucuman hat und nur hin und wieder zu Besuch nach Hause reist? Am besten teilen wir uns auf, Zvi. Lass mich in den Nordwesten fliegen. Ich kenne die Provinz ein wenig von einem früheren Besuch her. Du kannst mit deinem Team in der Zwischenzeit die genaue Adresse der Eichmanns ermitteln.«
Der Mossad-Agent stimmte zu und so bestieg David am 14. März eine Maschine der Aerolineas Argentinas. Es war ein Montag und am Wochenende hatte er mit Zvi einen groben Schlachtplan für die kommenden Tage entworfen. Am 21. des Monats stand die Silberhochzeit der Eichmanns an. Ein Mann, der allen Gefahren zum Trotz bisher viel Familiensinn bewiesen hatte, würde diesen Festtag zweifelsohne mit seiner Frau verbringen. Eichmann bei dieser Gelegenheit zu entführen war allerdings nicht geplant. Er schien zwar sehr zurückgezogen zu leben, aber wer konnte schon wissen, ob er den fünfundzwanzigjährigen Jahrestag seiner Eheschließung nicht im Freundeskreis verbringen wollte? Außerdem befand sich das Operationsteam der Israelis ja noch gar nicht im Land. Davids Recherche in der Provinz Tucuman war daher keine Zeitverschwendung. Zvi sollte währenddessen Eichmanns Haus lokalisieren, so viel wie möglich über die Lebensgewohnheiten der Familie herausfinden und David rechtzeitig vor dem Zugriff zurückrufen.
David absolvierte in den nächsten sieben Wochen ein dichtes Programm. Er reiste kreuz und quer durch die Provinz Tucuman und drehte jeden Stein in der gleichnamigen Hauptstadt um. Wo immer CAPRI oder eine andere von Fuldners Firmen tätig war, tauchte er auf. Akribisch arbeitete er die lange, schon in Buenos Aires zusammengestellte Namensliste ab. Er sprach wie zufällig seine jeweilige Zielperson an, verwickelte sie in ein Gespräch, gewann ihr Vertrauen und entlockte ihr immer wieder – nichts.
Niemand schien etwas über einen Ricardo Klement oder Adolf Eichmann zu wissen, abgesehen von dem, was man über den gesuchten Kriegsverbrecher in den Zeitungen lesen konnte. Allmählich gewann David die Überzeugung, Eichmanns Sohn Dieter habe mit »Tucuman« eine falsche Fährte ausgelegt. Am Mittwoch, dem 4. Mai kehrte er schließlich nach Buenos Aires zurück, eine wertvolle Erkenntnis im Gepäck: Was man mit Haut und Haaren herbeisehnt, wird dadurch kein bisschen realer, aber je länger man danach sucht, desto klarer wird der Irrtum.
Die wenig erfolgreiche Reise belastete ihn allerdings nicht allzu sehr, konnte sein israelischer Freund doch umso bessere Ergebnisse vorweisen. Wegen der strengen Geheimhaltung hatte David in seiner Abwesenheit nur verschlüsselte Telefonate mit Zvi führen können. Als er sich nach seiner Rückkehr mit dem Agenten traf, wunderte er sich doch über die unerwartet positiven Nachrichten: Nicht nur Eichmanns Haus war eindeutig lokalisiert, sondern auch er selbst gesichtet worden.
»Warum habt ihr mich nicht früher aus Tucuman abberufen?«
Zvi lächelte verlegen. Sie saßen in einem Hotelzimmer von eher sprödem Charme, mitten im Herzen von Buenos Aires. »Isser Harel meinte, du wärst in der Provinz nützlicher für uns.«
»Er hat es nicht vielleicht etwas anders ausgedrückt? Etwa so: ›Ihr Freund steht uns bei der Operation nur im Weg.‹ Sei offen, Zvi. Ich kann die Wahrheit vertragen.«
»Man könnte glauben, du kennst den Zwerg persönlich. Abgesehen davon waren deine Ermittlungen wirklich wichtig für uns. Aber nun bist du ja hier und glaube mir: Ich halte meine Versprechen und hätte dich auf jeden Fall rechtzeitig zurückgeholt.«
»Wann soll der Zugriff denn erfolgen?«
»Nächste Woche.«
»So bald schon! Wo hat sich denn der ›rote Fahrer‹ eingenistet?«
Der israelische Agent fasste die Ergebnisse seines Teams zusammen. Eichmann wohne tatsächlich im Niemandsland zwischen San Fernando und Don Torcuato. Die Adresse lautete Calle Garibaldi, Grundstücksnummer 14. Als
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