Der Kreis der Sechs
berücksichtigen war, etwas, dem sie schon vorher hätte nachgehen sollen: der neue Mann, den es in diesem Herbst in Lilys Leben gegeben hatte. In ihrem Kopf hörte sie den Satz, den Lily angeblich zu Amanda gesagt hatte: Wäre es nicht dumm von mir, wieder mit einem kleinen Jungen auszugehen?
Phoebe blickte auf ihre Armbanduhr. Es war beinahe vier, und sie hatte noch nichts von Glenda gehört. Sie versuchte noch einmal, Glendas Mobiltelefon anzurufen, und als sich das als vergeblich erwies, rief sie noch einmal im Büro an.
»Es tut mir leid, Ms Hall. Sie ist immer noch nicht wieder da«, informierte sie die Assistentin.
»Ich muss wirklich dringend mit ihr sprechen, und sie geht nicht an ihr Mobiltelefon.« Phoebe wurde klar, dass sie wie ein kleines Kind klang, dass nicht seinen Willen bekommt.
»Ich bin sicher, es würde ihr nichts ausmachen, wenn ich es Ihnen sage«, sagte die Assistentin. »Sie wollte heute Brendon von der Schule abholen und ihm bei den Hausaufgaben helfen. Von dort wollte sie zu einer Messe für Literaturzeitschriften weiterfahren, die diesen Nachmittag auf dem Innenhof abgehalten wird.«
»In Ordnung, ich werde versuchen, sie bei der Messe zu erwischen.« Dann hatte Phoebe eine Idee. »Noch ein Frage. Wissen Sie, wie ich an eine Liste mit allen Schulkomitees und wer darin sitzt für dieses Semester kommen könnte?«
»Ich bin mir nicht sicher, wer Zugang zu dieser Liste haben würde. Dr. Johns natürlich. Und wahrscheinlich Dekan Stockton.«
Stockton war die letzte Person auf der Welt, die sie fragen wollte. Sobald sie aufgelegt hatte, wurde Phoebe klar, dass sie nicht bis zur Messe warten konnte. Sie musste jetzt mit Glenda sprechen. Sie legte sich einen Mantel über die Schultern, griff sich ihre Handtasche und ging zum Auto. Glenda würde wahrscheinlich mittlerweile von Brandons Schule zurück sein, und Phoebe hatte vor, bei ihrem Haus vorbeizufahren. Sie wusste, dass sie eine Mutter-Sohn-Zeit unterbrechen würde, aber sie musste erfahren, ob Glenda jemals Informationen über ihre Vergangenheit an irgendjemanden in Lyle weitergegeben hatte. Phoebe war erst einen Block auf dem Weg zu Glendas Haus gefahren, als sie gezwungen war, ihre Scheibenwischer anzustellen, weil der Nieselregen sich in einen leichten Regen verwandelt hatte.
Zu Phoebes Überraschung reagierte die Haushälterin nicht auf ihr leichtes Klopfen an der Tür. Sie versuchte es noch einmal, und während sie wartete, erkannte sie, dass im Haus Musik gespielt wurde – ein Jazzsong. Jemand war zu Hause und konnte sie wegen der Musik offensichtlich nicht hören.
Sie stieß die Vordertür auf und rief Hallo. Niemand antwortete. Die Musik schien aus dem Wintergarten zu kommen, sie folgte ihr, wie einem Faden. Sie erreichte den Raum und blickte sich um. Da standen Lautsprecher auf dem kleinen Tisch, die Quelle des Jazz, aber niemand war im Raum.
Sie blickte durch die hohen Fenster auf den Garten und bis zur Einfahrt. Verdammt, Glendas Wagen war gar nicht da, dachte Phoebe, Glenda musste ihre Pläne geändert haben. Phoebe verließ den Raum und ging in den Hauptflur, beeilte sich, wegzukommen. Als sie einen Schritt auf die Vordertür zu machte, klingelte das Festnetztelefon im Haus und ließ sie zusammenzucken. Und dann hörte sie, wie eine männliche Stimme in unmittelbarer Nähe, im Wohnzimmer, Hallo sagte. Es war Mark. Phoebe erstarrte mitten in der Bewegung.
»Ja, ich verstehe«, sagte Mark. »Aber ruf mich nie wieder über dieses Telefon an, verstehst du? Ich habe dir gesagt, du sollst mein Mobiltelefon anrufen.«
Phoebe blieb stumm, hielt den Atem an. Es würde hässlich werden, wenn Mark ihre Anwesenheit entdeckte, doch gleichzeitig wollte sie unbedingt hören, was er als Nächstes sagen würde.
»Natürlich habe ich dir das gesagt«, sagte er nach ein paar Sekunden. Da war eine weitere lange Pause. Sie hörte, wie er sich räusperte.
»Ich werde es dir beschaffen«, sagte er steif. »Ich habe gesagt, dass ich es haben werde, und das werde ich auch.«
Oh Gott, dachte Phoebe. Er war kurz davor, aufzulegen und würde vermutlich gleich den Raum verlassen. Sie ging auf Zehenspitzen zur Tür und schlich nach draußen, kletterte die Vorderstufen der Veranda hinab und flüchtete zu ihrem Wagen. Als sie darin saß, atmete sie endlich aus und ließ den Motor an. Bevor sie auf die Straße fuhr, blickte sie zum Haus zurück. Zu ihrem Leidwesen sah sie, wie die Vorhänge im Wohnzimmer sich nur wenige Zentimeter teilten.
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