Der Kreis der Sechs
falschen Aussprache des deutschen Wortes sechs entwickelt hatte.
Also hatten die Bannsymbole in Blairs und Gwens Wohnung vielleicht nichts mit Hexerei zu tun, sondern waren einfach ein Weg für die Mädchen, heimlich anzuzeigen, dass sie zu den Sechsen gehörten. Komisch, dachte sie, dass geheime Organisationen immer sicherstellen mussten, dass sie ihr verdammtes Symbol hatten, um den Mitgliedern eine Möglichkeit zu geben, zeigen zu können, dass sie dazugehörten. Denn was geheime Gesellschaften ausnahmslos wollten, war, kein totales Geheimnis zu sein – sie wollten, dass die Leute über sie tuschelten, sich danach sehnten, dazuzugehören, und, in manchen Fällen, dass sie sehr viel Angst vor ihnen hatten. Phoebe wusste das nur allzu gut.
Als Nächstes googelte sie Wasserleichen. Wenn ein Mensch ertrank, so las sie, sank der Körper in der Regel zuerst nach unten, aber wenn er verweste, ließen ihn die entstehenden Gase an die Oberfläche steigen. Je kälter das Wasser, desto länger dauerte es, bis diese Gase sich bildeten. Zu dieser Jahreszeit würde eine Leiche mehr als eine Woche brauchen, um an die Oberfläche zu steigen, sogar wenn das Wetter so warm war wie zuletzt. Doch eine Leiche sank nicht immer auf den Grund. Manchmal verfing sie sich in Baumwurzeln oder verhedderte sich in Schiffstauen entlang eines Docks. Vielleicht war es das, was mit Lilys Leiche passiert war, dachte Phoebe, was erklären würde, warum sie so schnell gefunden worden war.
Dann überprüfte sie die Geschichte, die Stockton erwähnt hatte, über Studenten aus dem mittleren Westen, die gestorben waren. Er hatte nicht übertrieben. In den vergangenen fünf oder sechs Jahren war ein Dutzend junger Männer in nur wenigen Staaten ertrunken aufgefunden worden, nachdem sie am Abend zuvor ausgegangen waren. In allen Fällen hatten die Behörden die Todesfälle zu Unfällen erklärt, obwohl Familienangehörige an die Idee eines Serienmörders glaubten. Wieder spürte Phoebe, wie sie erschauerte. Sie blickte instinktiv zu dem Fenster über dem Tisch hoch. Wie grauenvoll, das auch nur in Betracht zu ziehen, dachte sie. Sie hatte genug über Ted Bundy gelesen, um zu wissen, dass er seine tödliche Tour in Oregon begonnen hatte, sich weiter nach Colorado bewegt und seine letzten Opfer in Florida getötet hatte. Stockton könnte recht haben.
Der Gedanke an Stockton erinnerte sie daran, ihren E-Mail-Eingang zu überprüfen. Wie versprochen, war da eine Mail von ihm mit den Namen der beiden Mädchen, die während des Komiteetreffens den Blick gewechselt hatten: Molly Wang und Jen Imbibio.
Bingo, dachte Phoebe. Jen Imbibio war in einem ihrer Schreibkurse. Es würde leicht sein, eine Ausrede zu finden, um morgen nach dem Unterricht mit dem Mädchen zu sprechen.
Sie öffnete auf dem Laptop den Ordner, den sie über ihre Studenten angelegt hatte und scrollte herunter zu Jen Imbibios Namen. Jen hatte bis jetzt eine drei minus, eine vier und eine vier plus für ihre drei Arbeiten bekommen und eine vier plus auf den ersten Teil der am kürzesten zurückliegenden Arbeit, die Phoebe an diesem Wochenende benotet hatte. Sie hatte ihre Studenten gebeten, einen Bericht über ein Thema ihrer Wahl zu schreiben und außerdem einen Blog in der ersten Person, über dasselbe Thema, in einem viel geschwätzigeren, flotteren Stil. Jen hatte sich als Thema Reality-TV ausgesucht. Ihre Recherche für den Bericht war ganz ordentlich gewesen, aber ihr Schreibstil war gestelzt.
Phoebe hatte noch keinen der Blogs gelesen, die die Studenten erstellt hatten. Sie griff über den Tisch hinweg nach einem Stapel Papier, fand Jens Blog und las ihn durch. Jen hatte die Mädchen, die in solchen Shows mitspielten, total verrissen, Mädchen, die ihre falschen Brüste zur Schau stellten und andere Frauen schlechtmachten. Der Text war unverschämt und teilweise provokativ, eine erfrischende Überraschung.
Phoebe blickte auf ihre Armbanduhr. Es war fast vier Uhr, und sie hatte noch nichts für das Abendessen mit Duncan vorbereitet. Sie sprang von ihrem Schreibtisch auf und eilte in die Küche. Sie hatte vorher entschieden, dass sie Spaghetti Carbonara machen würde, die sie sowieso an diesem Abend für sich selbst eingeplant hatte. Sie hatte Rucola und Zitronen im Kühlschrank, was bedeutete, dass sie einen Salat mit Zitronenvinaigrette machen konnte. Doch was war mit dem Dessert, fragte sie sich. Es war noch Zeit, schnell zum Supermarkt zu flitzen, bevor er zumachte. Aber das wäre
Weitere Kostenlose Bücher