Der Kreis der Sechs
all den Jungs gesprochen. Und ich erinnere mich daran, dass sie alle irgendwie streberhaft oder wie Sonderlinge auf mich wirkten. Die Art von Jungs, die in der Highschool nie auf den Abschlussball gegangen und in Sachen wie Statistik gut sind.«
»Denken Sie, jemand hat sie schikaniert?«
»Der Gedanke ging mir zu der Zeit durch den Kopf, also habe ich ein bisschen herumgefragt. Konnte nichts finden.«
»Interessant«, sagte Phoebe. »Obwohl ich nicht erkennen kann, wie es ins Bild passt.«
Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Es war nach acht, und sie musste ihren Hintern in Bewegung setzen. Es tat ihr nicht leid, dass sie an diesem Morgen einen Umweg zu Hutch genommen hatte – eine Verbindung mit ihm konnte sich als nützlich erweisen, wenn sie ihre Suche fortstetzte –, doch was er ihr mitgeteilt hatte, war nicht auf viel hinausgelaufen, und sie wollte dringend Alexis finden. Als Hutch Phoebe die Auffahrt hinab begleitete, während die Hunde um sie herumsprangen, vereinbarten sie, einander auf dem Laufenden zu halten. Dann erzählte er ihr, dass er an diesem Morgen noch eine weitere Information hatte, die er ihr mitteilen wollte.
»Dieser Kerl, den ich neulich erwähnte«, sagte Hutch. »Derjenige, der im Fluss zu sich gekommen ist. Ich habe seinen Namen für Sie herausgesucht. Wesley Hines. Und ich hatte recht. Er hat im letzten Frühjahr seinen Abschluss gemacht.«
Phoebe dankte ihm noch einmal, und bevor sie ihren Motor startete, nahm sie sich eine Minute Zeit, um ihr Navi auf das Crossgates-Einkaufszentrum zu programmieren.
Der erste Abschnitt der Fahrt, der nur fünfzehn Minuten lang war, führte sie eine zweispurige Straße entlang, bis sie auf die Autobahn nach Lancaster, Pennsylvania, auffuhr.
Die Landschaft veränderte sich ständig, während Phoebe fuhr. Zwischen gewaltigen Wohnsiedlungen, die aussahen, wie die Eruptionen von riesigen Pilzen, passierte sie ausgedehnte alte Farmen mit Silos und roten Scheunen, viele mit Feldern voller getrockneter Maisstängel. Schließlich kündigte ein Schild an, dass sie sich jetzt im Land der Amish befand. Und dann entdeckte sie ein Bannsymbol, das riesig und bedrohlich wirkte, an der Seite einer Scheune.
Um zehn machte sie zwei Anrufe, während sie fuhr. Der erste, gleich nach zehn, ging an den Gap-Laden im Einkaufszentrum, in dem sie nach Alexis fragte. Phoebe wollte noch einmal überprüfen, ob Alexis heute Dienst hatte.
»Sie ist gerade ins Lager gelaufen«, antwortete ein junger Mann. »Wollen Sie dranbleiben?«
»Nein, danke – ich werde noch einmal anrufen«, sagte Phoebe zu ihm.
Der andere ging an Glendas Assistentin. Phoebe erklärte, dass sie im Rahmen der Nachforschungen, die sie für Dr. Johns anstellte, Kontaktinformationen zu einem ehemaligen Absolventen, Wesley Hines, brauchte. Die Assistentin versprach, Phoebe eine E-Mail darüber zu schreiben, nachdem sie die Alumni-Abteilung angerufen hatte.
In Lancaster fuhr Phoebe auf die A83 Richtung Süden. Der Verkehr war hier zäher, stellenweise standen die Wagen Stoßstange an Stoßstange. Schilder nach Baltimore tauchten auf. Alles schien ihr so geschäftig und seltsam nach den zwei Monaten, die sie zurückgezogen in Lyle verbracht hatte. Sie fühlte sich wie eine Figur in einem Film, die entführt worden und an einem scheinbar abgelegenen Ort versteckt worden ist, nur um, nachdem sie entkommen ist, festzustellen, dass die reale Welt die ganze Zeit gleich vor der Tür vorbeigedonnert war.
Doch so surreal der Ausflug ihr auch zeitweilig erschien, fühlte sie sich auch belebt. Sie hatte eine Mission, etwas, das sie nicht gehabt hatte, seit die Plagiatsvorwürfe ihre Welt zum Stillstand gebracht hatten. Obwohl sie keinen Grund hatte, heute besonders optimistisch zu sein, sagte sie sich, dass sie mit etwas Entscheidendem zurückkommen würde, nachdem sie Alexis getroffen hatte. Das musste sie.
Von Zeit zu Zeit wanderten ihre Gedanken zu Duncan. Letzte Nacht im Bett hatte sie immer wieder an den Sex mit ihm gedacht, doch sie wusste, dass ihre Beschäftigung mit ihm mehr als nur Lust beinhaltete. Sie mochte den Mann. Vielleicht war das der Grund, warum sie ihm wegen des Abendessens von vorneherein einen Korb gegeben hatte. Weil sie gegen die Anziehung angekämpft hatte, ohne es überhaupt zu bemerken.
Doch wohin konnte das schon führen, fragte sie sich. Sie würde frühestens im Januar, spätestens im Mai, zurück nach New York gehen. Das Letzte, was sie brauchte, war, in eine gefühlsmäßige
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