Der Kreis der Sechs
Beziehung mit jemandem in Lyle verwickelt zu werden. Außerdem war das, soviel sie wusste, das, was er ebenfalls vermied – besonders wenn man in Betracht zog, was er in den letzten zwei Jahren durchgemacht hatte.
Trotz des stellenweise dichten Verkehrs holte Phoebe ordentlich Zeit auf und hielt um kurz nach elf bereits auf dem riesigen Parkplatz des Crossgates-Einkaufszentrums. Es war Jahre her, seit sie in einem vorstädtischen Einkaufszentrum gewesen war, und sie fühlte sich leicht überwältigt, als sie es betrat. Da war eine Kakophonie von Geräuschen – Musik, hallende Stimmen, sprudelndes Wasser aus den Springbrunnen – und auch visueller Lärm: endlose Schilder, Banner und Fahnen. Phoebe benutzte die Karte, um den Gap-Laden im Erdgeschoss ausfindig zu machen und nachdem sie eine dunkle Sonnenbrille aufgesetzt hatte, schlüpfte sie in den Laden.
Es waren nur wenige Kunden darin, die sich durch Stapel von Jeans und Shirts wühlten. Phoebe bewegte sich auf einen Tisch zu, auf dem Rollkragenpullover aus Baumwolle gestapelt waren, und täuschte Faszination vor. Nach einem Moment sah sie auf und ließ ihren Blick durch den Laden schweifen. Im Moment schienen sich nur zwei Verkäufer in dem Stockwerk aufzuhalten – eine Afroamerikanerin um die vierzig und ein weißer Junge, der gerade aus dem Teeniealter heraus war. Keine Spur von einer Frau um die zwanzig. Vielleicht war Alexis wieder im Lagerraum.
Phoebe bewegte sich ein paar Schritte weiter zu einem Tisch, auf dem sich Strickjacken stapelten. Minuten vergingen, und immer noch keine Spur von Alexis. Gerade als sie anfing, sich zu sorgen, ob sie es irgendwie vermasselt hatte, bemerkte Phoebe einen Durchgang, der zur Gap-Kinderabteilung führte. Sie schlenderte dorthin, und als sie in den Raum spähte, sah sie eine hübsche Brünette, die einen Kopfhörer trug und winzig kleine Strickjacken zusammenlegte. Das muss sie sein, dachte Phoebe.
Sie hielt sich am Durchgang des Kinderraumes auf, statt hineinzugehen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Kurze Zeit später kam die schwarze Frau in die Abteilung und fing an, mit der Brünetten zu reden. Phoebe bemühte sich, etwas zu hören, in der Hoffnung, dass die Frauen einander beim Namen nennen würden, aber das geschah nicht. Mittlerweile war allerdings klar, dass es keine anderen Verkäufer gab, und Phoebe war sicher, dass die Brünette Alexis war.
Phoebe ging wieder hinaus, setzte sich auf eine Bank direkt gegenüber dem Gap-Eingang und rief erneut den Laden an.
»Ich habe vor, in der Kinderabteilung vorbeizuschauen, aber ich wollte sicherstellen, dass Alexis heute da sein wird«, sagte sie zu der Angestellten, die abnahm. »Sie hat mir beim letzten Mal so geholfen.«
»Ja, sie ist hier«, sagte das Mädchen.
»Großartig. Ich hoffe, dass sie in der Mittagszeit da sein wird.«
»Ja, sie nimmt ihre Pause nicht vor zwei.«
Phoebe machte einen kurzen Abstecher in die Damentoilette und dann, nachdem sie sich eine Zeitung und einen Kaffee geholt hatte, fing sie an zu warten.
Um ungefähr viertel vor zwei, früher als vorhergesagt, sah sie Alexis flott aus dem Laden gehen. Phoebe sprang auf und folgte ihr, bis sie ein paar Minuten später den Gastronomiebereich betrat. Nachdem sie eine Limonade und ein Stück Pizza gekauft hatte, nahm das Mädchen an einem weißen Metalltisch für zwei Platz. Phoebe schnappte nach Luft und bahnte sich dann ihren Weg in diese Richtung.
»Alexis?«, fragte Phoebe, als sie den Tisch erreichte. Sie bemerkte, dass das Mädchen den ganzen Käse von ihrer Pizza gepult hatte, und jetzt lag er in teigartigen Klumpen auf dem gewachsten Papier. Alexis blickte beiläufig auf, vielleicht weil sie eine Arbeitskollegin oder Freundin zu sehen erwartete. Als sie entdeckte, dass Phoebe da stand, runzelte sie die Stirn.
»Ja?«, sagte sie.
»Mein Name ist Phoebe Hall. Kann ich mich setzen?« Phoebe wartete nicht auf eine Antwort. Sie glitt auf den leeren Stuhl gegenüber von dem Mädchen. Obwohl Alexis hübsch war, sah Phoebe aus der Nähe, dass sie wütende rote Flecken von Rosacea auf ihren Wangen und ihrer Stirn hatte, die Art von Verschlimmerung der Symptome, die oft stressbedingt war.
»Was – wer sind Sie?«, verlangte Alexis zu wissen. Sie schien nervös zu sein, aber Phoebe spürte auch, dass Ärger unter der Oberfläche zu brodeln begann.
»Ich bin eine neue Dozentin am College in Lyle. Und ich hatte gehofft, ein paar Minuten mit Ihnen sprechen zu können.«
Alexis Gesicht
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