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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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unsere Klingen beinahe blindlings auf Schemen und weiße Gesichter herabsausen, ohne jeden Unterschied. Mindestens eines oder zwei meiner Opfer müssen Frauen gewesen sein, und ich bete darum, dass Gott mir diese schreckliche Sünde vergeben möge, doch ich hielt nicht inne, um die erschlagenen Feinde zu zählen. In der Mitte des Lagers befand sich ein Kreis aus Fackeln, und in ihrem flackernden Schein konnte ich ein großes, grün und gelb gestreiftes Zelt ausmachen. Direkt daneben bewachten zwei Ritter zu Pferde das in der windstillen Luft schlaff herabhängende goldene Banner des Kaisers.
    Ich trieb Ghost mit den Hacken an und lenkte ihn auf das Licht zu. Und ich war nicht der Einzige. Links und rechts von mir sah ich weitere Reiter, von denen mir manche sehr vertraut waren, andere weniger. Doch wir alle hatten dasselbe Ziel: zum Kaiser vorzudringen und ihn gefangen zu nehmen, bevor das ganze Lager aufgescheucht war und zu den Waffen greifen konnte. Dann nämlich würden uns Tausende Schwerter nach dem Leben trachten.
    Ein dunkler Schatten platzte links von mir aus der Dunkelheit hervor, und ich schlug ihm mit dem Streitkolben den Schädel ein. Der nächste kam direkt auf mich zu. Ich lenkte Ghost mit den Knien seitlich an ihm vorbei und spießte ihn auf meinem Schwert auf, doch die Klinge blieb zwischen seinen Rippen stecken, so dass ich mein Schwert fast verlor. Nur durch einen heftigen Ruck, bei dem ich mir schmerzhaft das Handgelenk verdrehte, bekam ich es wieder frei, ehe Ghost den Mann ganz passiert hatte.
    Als ich dem kaiserlichen Zelt näher kam, bemerkte ich, dass um den fackelbeleuchteten Ring ein hitziges Gefecht ausgebrochen war. Der König streckte einen Griechen mit seinem Schwert nieder und wehrte zugleich einen zweiten ab. Robin und Sir James de Brus waren an seiner Seite und kämpften beide mit berittenen Gegnern. Einer der Männer, die das Banner bewachten, wurde von der gut gezielten Lanze eines mir unbekannten Ritters aus dem Sattel gestoßen. Der zweite, der die goldene Standarte trug, wendete sein Pferd und floh in die Dunkelheit.
    Ich schrie »Westbury!«, reckte das blutige Schwert und bearbeitete Ghosts Flanken mit den Fersen. Der Mann drehte sich halb um, sah mich und trieb sein Pferd ebenfalls schneller vorwärts. Doch einer von Richards Rittern kam ihm aus der Dunkelheit entgegen. Ich sah nur kurz das Rot und Blau eines Wappenrocks aufschimmern, dann wendete der Bannerträger sein Pferd erneut, weg von diesem neuen Feind, und galoppierte geradewegs auf mich zu. Er hob sein Schwert, als unsere Pferde auf gleicher Höhe waren, und zielte mit einem wuchtigen Hieb auf meine linke Schulter. Ich fing den Schlag mit dem stählernen Schaft meines Streitkolbens ab und stieß ihm fast gleichzeitig mein Schwert ins Auge.
    Es gab ein Knacken wie von einem brechenden Ast, Schmerz durchzuckte meinen Arm. Mein Schwert war weg, und meine rechte Hand stand in einem grässlichen Winkel ab. Als ich mich nach meinem bannertragenden Gegner umdrehte, sah ich, dass er schlaff hin und her schwankte, mausetot, aber noch im Sattel. Mein Schwert ragte aus seinem Schädel. Sein Pferd lief langsamer weiter, erst im Trab, dann nur noch im Schritt. Ich wendete, steckte meinen Streitkolben in den Gürtel und barg das gebrochene Handgelenk vorsichtig an der Brust. Als ich das Pferd mit dem toten Ritter erreichte, lehnte ich mich hinüber und nahm das goldene Banner mit der linken Hand aus der Halterung am Sattel. Ich warf den Kopf in den Nacken und stieß einen gellenden Schrei aus, teils aus Jubel, teils vor Qual, denn der Schmerz, der meinen rechten Arm emporschoss, war Übelkeit erregend.
    Mit der Linken reckte ich die goldene Standarte hoch in die Luft und schrie erneut. Ich war allein auf dieser Seite des Schlachtfelds, und siegreich: Ich hielt das Banner des Feindes, das Symbol seiner Ehre, in meiner Hand. Die Griffonen waren offenbar sämtlich geflohen oder versteckten sich in der Dunkelheit. Doch plötzlich nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Ein Pferd suchte sich vorsichtig einen Weg durch die Leichen auf mich zu. Und auf seinem Rücken saß mit blutverschmiertem scharlachrotem und blauem Wappenrock Sir Richard Malbête.
    Ein Dutzend Schritte vor mir hielt er an und neigte den Kopf zur Seite. Wir waren vollkommen allein in dem dunklen Lager, nur dumpfe Rufe und Schreie waren von fern zu hören. »Wie ich sehe, hat der Sängerknabe sein Schwert verloren.« Sir Richard lachte, ein tiefer,

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