Der Kreuzfahrer
Hinrichtungen sehen«, antwortete William.
»Die Hinrichtungen?«
»Saladin hat das Lösegeld nicht bezahlt und das Wa-Wa-Wahre Kreuz nicht übergeben, also hat Kö-König Richard befohlen, alle gefangenen Sarazenen hi-hinzurichten.«
»Alle?«, fragte ich ungläubig. »Aber das sind Hunderte, Tausende Menschen. Er kann sie nicht alle töten.«
»Sir Richard Malbête hat diese Aufgabe ü-übernommen, Herr«, entgegnete William todernst. »Sie werden außerhalb der St-St-Stadtmauer hingerichtet, dass jedermann es se-se-sehen kann, heute, Herr, heute Mi-Mittag.«
»Dann hilf mir, mich anzuziehen, William.«
Auf der Stadtmauer von Akkon drängten sich die Menschen, und William und ich mussten gehörig drängeln, schieben und rempeln, um auf der Nordseite des Haupttores eine Stelle zu finden, von der aus wir sehen konnten, was dort unten geschah. Auf einer weiten Sandfläche hinter den Gräben, die noch von der Belagerung Akkons zeugten, waren die moslemischen Gefangenen, Reihe um Reihe. Alle waren gefesselt und auf die Knie gezwungen worden. Später erfuhr ich von meinem Freund Ambroise – der eine Schilderung dieser Szene für seine Chronik des Heiligen Krieges schrieb und immer gern genaue Zahlen angab, obgleich sie mir manchmal erfunden schienen –, dass sich auf diesem Feld des Todes zweitausendsiebenhundert Gefangene befanden. Und sie alle sollten sterben.
Die todgeweihten Geiseln – Männer, Frauen, sogar Kinder – machten einen schrecklichen Lärm. Sie weinten, klagten, stöhnten und riefen den Namen ihres falschen Gottes. Auf drei Seiten waren sie von unserer Armee umstellt, so dass es keine Hoffnung auf Entkommen gab. Weit im Süden konnte ich Robins Bogenschützen in ihren unverkennbaren grünen Umhängen sehen. Hinter ihnen war unsere Kavallerie aufgereiht. Ich konnte sogar Robin ausmachen, der vor der ersten Reihe der Bogenschützen, nur zwanzig Fuß von den nächsten Gefangenen entfernt, vollkommen still auf seinem Pferd saß. Vereinzelt hörte ich höhnische Rufe und Pfiffe aus unserer Armee. Ich konnte sehen, dass einige Soldaten Wetten abschlossen, doch die meisten standen nur da und beobachteten das Gemetzel wie Bauerntrampel die Viehauktion auf einem Jahrmarkt.
Malbêtes Männer hatten ihr grausiges Werk schon begonnen. Sie arbeiteten paarweise: sechs Paare bewaffneter Männer, jedes Paar nahm sich eine Reihe Gefangener vor. Der Erste der beiden nahm den Gefangenen jegliche Kopfbedeckung, Tuch oder Turban, ab und trat dann beiseite, um den Weg für das Schwert frei zu machen und das Opfer an den Haaren aufrecht zu halten, während der zweite Mann auf den Hals einhackte, bis der Kopf abgetrennt war. Es war eine langsame, blutige Arbeit. Die scharlachroten und himmelblauen Waffenröcke der Soldaten trieften bald einfarbig blutrot. Manchmal waren nicht weniger als vier Schläge nötig, um den Kopf vom Rumpf zu trennen. Einige der Opfer lebten noch viele Herzschläge lang, nachdem die Klinge das erste Mal in ihren Hals gefahren war. Die Kinder waren noch am leichtesten zu töten und oft mit einem einzigen Hieb erledigt.
Ein Henker war besonders ungeschickt. Immer wieder kam es vor, dass der Mann mit dem Schwert den Hals völlig verfehlte und die Klinge in den Rücken fuhr oder vom Schädel abglitt, unter dem Gelächter der Menge. Malbête beaufsichtigte die Arbeit seiner Leute und trat hin und wieder zu seinen Männern, wenn diese ein Opfer allzu sehr zerfleischten. Er watete durch Pfützen von Blut, stieß die Soldaten grob beiseite und brachte die Aufgabe zu Ende, indem er dem armen Opfer mit seinem eigenen langen Schwert den Kopf abschlug.
Von unserem Aussichtspunkt hoch auf dem Wehrgang konnten William und ich die ganze grausige Darbietung deutlich sehen. Doch die Menschen kamen mir vor wie Puppen, die ganze Szene wie aus einem makabren Theaterstück. Ein Paar der blutbespritzten Männer war gerade mit einer Reihe von zweihundert Gefangenen fertig. Mit rot schillernden Händen wischten sie die rote Schweinerei aus Staub und Haaren von ihren Schwertern und begannen gelassen mit dem ersten Opfer in der nächsten Reihe. Hack, hack, ein Blutschwall, und das Opfer kippte kopflos auf die Seite. Aus dem Hals spritzte noch stoßweise das Blut, und der Kopf rollte ein Stückchen weit, bis der Stiefel eines Soldaten ihn beiläufig anhielt.
»Was ist mit dieser Welt passiert?«, sagte ich leise zu mir selbst. »Sind die Menschen denn alle verrückt geworden? Warum macht Gott dem kein Ende?
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