Der Kreuzfahrer
umgebracht, verflucht, Ihr habt sie alle umgebracht!«
»Nicht jetzt, Alan«, sagte Robin kühl. »Nicht jetzt. Du bist krank, im Fieberwahn. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für kindische Wutausbrüche.« Mit diesen Worten ging er die andere Seite des Hügels hinab, gefolgt von einer Schar jubelnder Bogenschützen. Ich sank auf die Knie, niedergedrückt von Scham, Wut – und Schuld. Wie hatte es so weit kommen können? Ich hatte ins Heilige Land kommen wollen, um Gutes zu tun, um Gottes Werk zu tun. Und jetzt wusste ich, dass ich Teil von etwas Ungeheuerlichem, etwas wahrhaft Abscheulichem war.
Ich weiß nicht, wie lange ich auf diesem Hügel kniete und der vielen edlen Ritter gedachte, die binnen weniger Augenblicke ermordet worden waren, um des Profits eines einzigen skrupellosen Mannes willen. Ich glaube, ich war wohl eine Zeitlang bewusstlos. Schließlich raffte ich mich auf und schaffte es, den Abhang hinabzustolpern und wieder zu den anderen zu stoßen. Unsere Leute hatten die Karawane angehalten und unter Kontrolle gebracht. Reuben sprach auf Arabisch zu den Kameltreibern. Wenn sie sich ruhig verhielten und die Karawane mit ihrer wertvollen Fracht zu ihrem neuen Ziel brachten, sollten sie belohnt und mit ihren Kamelen freigelassen werden, damit sie nach Süden zurückkehren konnten. Wenn nicht … Reuben fuhr sich mit der Handkante quer über die Kehle, eine kurze, aber beredte Geste.
Sie brauchten nicht lange zu überlegen und erklärten sich einverstanden. Das neue Ziel war das kleine Dorf Haifa an der Küste, wo die Fracht auf ein Schiff umgeladen werden sollte.
Ich hatte unrecht mit meinem Vorwurf, Robin habe alle Ritter ermordet. Nicht alle waren tot. Drei Templer hatten die Schlacht überlebt. Verwundet und blutbeschmiert und ohne ihre Helme kauerten sie auf den Knien, die Hände auf den Rücken gefesselt. Hinter jedem stand ein bewaffneter Mann. Doch sie zeigten keine Furcht. Aus ihren Augen schien ein inneres Feuer zu leuchten, eine Gewissheit über dieses Leben und das nächste. Stolz und trotzig starrten sie ihre maskierten Feinde an. Ein grässlicher Ruck durchfuhr mich, als ich einen der Ritter erkannte – es war mein alter Freund Sir Richard at Lea.
»Unser Lösegeld wird der Großmeister, der sich zurzeit in Akkon aufhält, unverzüglich bezahlen …«, sagte Sir Richard gerade zu Robin, als ich unsicher auf die beiden zuwankte. Die Sonne versank in den blaugrauen Fluten des Mittelmeeres und warf lange, groteske Schatten vor die knienden Ritter.
»Es wird kein Lösegeld geben«, erwiderte Robin barsch. Seine Stimme drang dumpf durch das Seidentuch, doch ich sah, dass Sir Richard sie trotzdem erkannte.
»Seid Ihr das, Robin of Sherwood, maskiert wie ein feiger Bandit? Wenn Ihr es seid, lasst mich Euer Gesicht sehen«, sagte Sir Richard und versuchte aufzustehen. Er wurde von einer mächtigen Hand niedergedrückt. Little John stand direkt hinter ihm. Der Ritter wandte den Kopf und blickte zu dem hünenhaften blonden, maskierten Mann hoch, der hinter ihm aufragte und allein durch seine Größe unverwechselbar war. »Und ich weiß, dass Ihr John Nailor seid, und das da …«, er wies mit einem Nicken in meine Richtung, und ich blieb stehen wie erstarrt, »… das ist der junge Alan Dale!« Sir Richards angenehmes Gesicht verzerrte sich vor Wut. »Warum greift Ihr uns an? Warum habt Ihr meine Männer getötet? Wir sind nicht Eure Feinde. Haben wir nicht alle dieselbe Mission hier in diesem Heiligen Land?«
Er verstummte abrupt, als Robin die Maske abnahm. Das abgespannte, müde Gesicht meines Herrn war im abendlichen Zwielicht deutlich zu erkennen. Kalt sprach er zu Sir Richard: »So, jetzt seht Ihr mich. Möge Euch das eine letzte Befriedigung sein«, sagte er. »Wir werden wie Männer miteinander sprechen, von Angesicht zu Angesicht. Und ich werde Euch die Wahrheit sagen. Ich habe niemals Euren leidenschaftlichen Wunsch geteilt, Jerusalem zurückzuerobern. Ich habe keinen Streit mit Saladin oder sonst irgendeinem Sarazenen. Dass ich überhaupt hier bin, liegt allein an Euch.« Vorwurfsvoll zeigte er mit dem Finger auf Sir Richard. »Ich bin nicht aus freien Stücken hier, sondern weil Ihr mich gezwungen habt, einen Eid darauf abzulegen, dass ich den König in dieses gottverlassene Land begleiten würde.«
Robins Männer sahen, dass ihr Herr sein Gesicht entblößt hatte, und nahmen ebenfalls die Tücher ab.
»Es schert mich keinen Deut, wer Jerusalem regiert –
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