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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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lateinischen Gebeten und kostbaren Räucherungen, um ihn von allen schädlichen Miasmen zu reinigen. Wieder roch ich den starken Duft, den ich damals in Reubens Haus in York so deutlich erschnuppert hatte.
    »Was riecht hier so nach Kirche?«, fragte ich Reuben, als Pater Simon Gott endlich lange genug angefleht hatte, Robin aus den Klauen des Teufels zu erretten.
    »Das ist Weihrauch«, antwortete Reuben, ohne mir in die Augen zu schauen. »Kennst du den etwa nicht? Man verbrennt ihn in jeder großen Kirche der Christenheit. Da sollte man meinen, dass er euch Christen vollkommen vertraut ist.«
    »Den Duft kenne ich, ich wusste nur den Namen nicht«, erwiderte ich ein wenig hochmütig. Ich konnte es nicht ausstehen, an meine niedere Geburt und mangelnde Bildung erinnert zu werden. »Weihrauch also«, wiederholte ich und kostete das Wort auf der Zunge wie einen guten Wein. »Ist er denn geweiht?«
    Wieder warf Reuben mir einen etwas seltsamen Blick zu. »Hast du mit ihm darüber gesprochen?«, fragte er und wies mit einem Nicken auf meinen reglosen Herrn in seinem Bett – hätte sich seine Brust nicht sacht auf und ab bewegt, so hätte man ihn für tot halten können.
    »Nein, noch nie. Aber was verbrennt da?«
    Reuben schwieg. Auch ich sagte nichts mehr, sondern starrte meinen Freund nur an und drängte ihn im Geiste, weiterzusprechen.
    »Na schön, wenn du es unbedingt genau wissen musst«, sagte Reuben misslaunig. »Weihrauch ist das Harz eines Baumes, das man verbrennt. Es ist mehr als sein Gewicht in Gold wert, sehr viel mehr, und es kommt aus meinem Heimatland al-Yaman ganz im Süden, jenseits der großen arabischen Wüste.« Dann wandte er sich wieder seinem Patienten zu und ignorierte mich.
    Ich setzte mich auf einen Schemel und dachte eine Weile über Weihrauch nach. War er tatsächlich mehr als sein Gewicht in Gold wert? Und jede große Kirche in der gesamten christlichen Welt verbrannte ihn bei jedem Gottesdienst? Irgendjemand verdiente eine Menge Geld mit diesem Baumharz. Mir wurde bewusst, dass ich schon seit einer Weile Roberts Schlachtenbanner anstarrte, das an der Wand hing: Es zeigte auf weißem Untergrund einen Wolfskopf mit gefletschten Zähnen in Schwarz, bei dem ich stets den Eindruck hatte, er springe mich von dem Tuch herab an.
    Da kam mir ein Geistesblitz, eine urplötzliche Eingebung. »Reuben«, sagte ich, »könnte … könnte er mit Wolfswurz vergiftet worden sein?«
    Reuben riss den Kopf herum und starrte mich an. »Gütiger Gott, was bin ich für ein Esel«, sagte er. »Ich Dummkopf. Ich habe nur an exotischere sizilianische Gifte gedacht, oder etwas Schleichendes, Persisches …«
    Offenbar fasste er sofort einen Entschluss – er wandte sich wieder Robin zu und tätschelte ihm kräftig das Gesicht.
    »Robert, Robert, wach auf. Ich muss deine Augen sehen«, sagte der Jude. Als Robin sich aus tiefem Schlaf emporgequält hatte, spähte Reuben in seine Augen. Anscheinend befriedigt von dem, was er sah, drehte er sich zu mir um.
    »Er wurde tatsächlich mit Eisenhut vergiftet – deine Vermutung ist richtig, denn Aconitum nennt man gemeinhin Wolfswurz. Du musst mir also Fingerhut besorgen«, erklärte er. »Das ist das Einzige, womit ich ihn heilen kann. Und lass ihn keinen Wein mehr trinken. Ab sofort bekommt er nur noch abgekochtes Wasser.«
    Ich beäugte Reuben zweifelnd. Fingerhut war ebenfalls ein bekanntes Gift – weshalb wollte er einem Mann, der bereits vergiftet worden war, noch mehr Gift geben? Und wie, um alles in der Welt, sollte ich auf Sizilien eine englische Blume finden?
    Reuben musste mein Zaudern bemerkt haben. »Geh zu dem Kräuterhändler in der Altstadt, neben dem Schlachter in der Hauptstraße. Nenn ihm meinen Namen, er ist ein netter Kerl, und wir haben uns schon mehrmals getroffen, um uns über medizinische Fragen auszutauschen. Sag ihm, du brauchtest eine Unze zerriebene Digitalis-Blätter. Kannst du dir die lateinische Bezeichnung merken?
Digitalis
 – gut. Beeil dich, mein Junge, dein Herr liegt im Sterben.« Also lief ich los.
    Ich fand den Kräuterhändler mit Leichtigkeit und beschaffte das Pulver. Unter großen Bedenken übergab ich Reuben das winzige Päckchen und sah zu, wie er einen Trank aus kochendem Wasser, Honig, Salbei und dem Digitalis-Pulver braute. Er bemerkte, dass ich ihn misstrauisch beobachtete, und bedachte mich mit einem harten Blick. »Lass uns jetzt allein, Junge«, sagte er. »Dein Herr braucht Ruhe, um sich zu erholen.«
    Ich

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