Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem
die Zisterzienser ihren großen Sieg über die weltliche Macht errungen hatten und das Monasterium Beatae Mariae de Varnhemio nicht nur für die Gebeine der Toten, sondern auch für die Ordensbrüder ein sicherer Ort war, hatte Pater Henri entschieden, das Grab zu kennzeichnen. Die Arbeit hätte bei der Ankunft der Fuhre aus Vitae Schola schon längst beendet sein sollen. Das Reisewetter war jedoch ungewöhnlich günstig gewesen, sodass die Reise kürzer gedauert hatte als geplant.
Als Arn die Laienbrüder verlegen begrüßt hatte, erst auf Lateinisch, das sie nicht so gut beherrschten, dann auf Französisch, das sie überhaupt nicht begriffen, und schließlich auf Nordisch, ihrer Sprache, deren Tonfall jedoch singender war, als er ihn in Erinnerung hatte, sank er auf die Knie und sprach ein Dankgebet, weil er wohlbehalten angekommen war.
Als er dann den Text auf dem Grabstein las, sowohl den fertig behauenen als auch den nur skizzierten, hatte er das Gefühl, als lebte seine Mutter noch, nicht nur ihre Seele, sondern auch sie selbst in Fleisch und Blut, als läge sie dort unter dem Kalkstein und lächelte ihn an. »Dort unter dem Stein ruht Sigrid, die von uns allen so hoch
geschätzte Stifterin, in ewigem Frieden, geboren im Jahr des Herrn 1127, gestorben im Jahr 1155, seligen Angedenkens«, las Arn. Unter dem Text befand sich die Skizze eines Löwen sowie etwas anderes, das er in diesem Zusammenhang nicht unterbringen konnte. Er sah nur ihre Hände vor sich, spürte ihren Duft und glaubte, ihre Stimme zu hören.
Doch in der Begrüßungsmesse, als alle versammelt waren, wurde seine Mutter bei den Danksagungen immer wieder erwähnt, und das erfüllte ihn mit Gefühlen, die er nicht ganz verstehen konnte und die er sofort zu beichten beschloss. Er fürchtete, von Hochmut ergriffen worden zu sein.
In den Wochen vor Pater Henris Neueinsetzung als Prior von Varnhem, zu der Erzbischof Stéphane höchstpersönlich seinen Besuch angekündigt hatte, arbeiteten Bruder Guilbert und Arn zusammen mit ein paar Laienbrüdern aus der Gegend mit aller Kraft, um die Wasserzufuhr wiederherzustellen. Der große Mühlendamm war verschlammt und musste gesäubert werden; der Kanal, der das Wasser zu den großen und kleinen Treibrädern leiten sollte, war zum Teil verfallen, sodass der Wasserstrom fast versiegt war und nur noch ein Zehntel seiner wirklichen Stärke ausmachte. Der Wasserstrom war der Motor des Klosters und seine reinigende Seele, er war genauso wichtig für das Lavatorium wie für die Kochhäuser und als Kraftquelle von Blasebälgen, Mühlen und Schmieden. Wegen der großen Bedeutung dieser Arbeit war die kleine Gruppe, die sich mit der Wasserzufuhr beschäftigte, von allen Messen und Lesestunden des Tages befreit. Nach der Vesper fiel Arn kopfüber ins Bett und
schlief bis zur Morgenmesse fest und traumlos. Es folgte Arbeitstag auf Arbeitstag, und Arn hatte immer stärker das Gefühl, dass die Zeit aufhörte und zu einer einzigen langen Arbeitsschicht verschmolz.
An dem Tag aber, an dem der Erzbischof mit seinem Gefolge durch die Klostertore von Varnhem schritt, perlte von Neuem frisches Wasser durch das Lavatorium und die Kochhäuser. Die Gästezimmer waren frisch geweißt und sauber, und in einer der Schmieden war schon der Klang der Hämmer auf dem Amboss zu hören.
Nach der Messe zur Amtseinführung predigte der Erzbischof den Brüdern vom Sieg des Guten über das Böse. Er sagte, der Zisterzienserorden sei jetzt so stark, dass es in diesem abgelegenen Winkel der Welt keine äußere Gefahr mehr gab, sondern nur die ständige Bedrohung, die in jedem Menschen lauerte, dass nämlich die eigene Sünde, der Hochmut, die Trägheit und die Gleichgültigkeit die gerechte Strafe Gottes nach sich ziehen könnten. Und deshalb durfte sich niemand zur Ruhe setzen, niemand durfte sich in satter Selbstzufriedenheit zurücklehnen, sondern musste die Arbeit im Weinberg des Herren mit der gleichen beharrlichen Ausdauer wie bisher fortsetzen.
Nach der Danksagungsmahlzeit zogen sich Erzbischof Stéphane und Pater Henri an die Stelle draußen im Kreuzgang zurück, an der sie früher immer zusammen gesessen hatten, neben der inzwischen sichtlich verfallenen Gartenanlage. Sie führten ein langes Gespräch über ein Thema, das andere Brüder offenbar nicht mithören sollten. Sie sprachen so leise, dass die Brüder, die draußen im Garten arbeiteten, nur gelegentlich ein Wort aufschnappten, wenn einer der beiden hochwürdigen Herren
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