Der Kreuzritter - Das Erbe - Guillou, J: Kreuzritter - Das Erbe - Arvet efter Arn
nicht seine Art war. Er blieb neben einem hellen Feuer stehen und erwartete Ritter Sigurd dort. Als sie sich gegenüberstanden, wirkte es, als wolle keiner der beiden das erste Wort sprechen. Sie maßen einander mit steinernen Blicken.
»Falls du bei mir das Abendbier trinken wolltest, Sigurd, so hast du dafür wirklich einen seltsamen Zeitpunkt gewählt«, begrüßte ihn der Jarl schließlich mit lauter Stimme, damit alle ihn hören konnten. »Du bist mir aber trotzdem ein willkommener Gast«, fügte er nach kurzem Schweigen hinzu.
»Ich trinke gerne ein Willkommensbier mit dir, Jarl Birger«, erwiderte Sigurd ebenso feierlich, »und ich hoffe, dass du ausreichend Bier in deinem Lager hast, denn wir sind viele und wir sind schnell geritten, um nicht zu spät zu kommen.«
»Von wo seid ihr losgeritten und wie viele seid ihr?«, fragte der Jarl, ohne eine Miene zu verziehen.
»Wir sind zwölf Schwadronen, auf die Forsviker Art gerechnet also 192 Mann. Wir sind bei Lena zusammengekommen, und von dort aus sind wir hierhergeritten, wie es uns die Ehre gebietet«, antwortete Ritter Sigurd, auf dessen starrem Gesicht ein Lächeln auftauchte.
Davon ließ sich der Jarl sofort anstecken. Er warf jegliche Würde ab, trat drei große Schritte vor und drückte seinen Verwandten in einer Umarmung an sich.
»Du und unsere Freunde bringt uns den Sieg, lieber Sigurd«, murmelte der Jarl, aber so, dass nur der andere es hören konnte. »Selbstverständlich haben wir Willkommensbier im Lager, und noch mehr brauchen wir morgen gegen Mittag, wenn alles vorüber ist.«
DIE ZEIT DER WITWEN
I
D ER WUNDERBARE SIEG BEI GESTILREN im Jahr der Gnade 1210 hatte einen hohen Preis. Er machte viele Frauen zu Witwen und noch mehr Kinder zu Waisen. Das Trauerjahr war rasch vorüber, aber die Trauer währte länger.
Bei dem jungen Birger Magnusson war die Trauer größer und schmerzlicher als bei seinen Brüdern, obwohl diese genauso vaterlos geworden waren wie er selbst und ebenfalls ihren geliebten und hochverehrten Großvater Arn verloren hatten.
Aber Birger war in Gestilren selbst dabei gewesen. Dort hatte man ihm trotz seines geringen Alters das Reichsbanner anvertraut, und er war zwischen König Erik Knutsson und Marschall Arn Magnusson geritten. So war es gekommen, dass Birger mit angesehen hatte, wie sein eigener Vater Magnus Månesköld und eine große Anzahl älterer Folkunger direkt in den Tod geritten waren. Die entsetzlichen Ereignisse waren vermutlich recht schnell vorüber gewesen, aber in seiner Erinnerung sah er wie in einem ewigen Traum, wie sich alle seine älteren Verwandten in bedächtigem Schritt auf ihren schweren, eisengepanzerten Pferden bewegt hatten.
Der König und der Marschall, ihre Wappenträger und Kuriere sowie eine Schwadron leichter Reiterei aus Forsvik hatten sich auf einer Anhöhe befunden und einen guten Überblick über die gesamte Schlacht gehabt. Sie hatten
alle gleichzeitig erkannt, was unabänderlich geschehen würde, und sich nur noch schweigend bekreuzigen können.
Die älteren Folkunger, die nicht wie ihre Söhne in Forsvik in die Lehre gegangen waren, hatten angegriffen, ohne die rote Fahne auf der Anhöhe des Marschalls abzuwarten. Vielleicht hatten sie allzu eifrig die Begegnung mit dem Feind gesucht, ganz sicher hatte jedoch keiner von ihnen begriffen, wie gefährlich es war, verfrüht anzugreifen.
Die dort unten kühn und energisch der dänischen Reiterei entgegenritten, bemerkten nicht, wie sich hinter ihnen eine große schwarze Wolke wie ein Zeichen des Todes erhob. Zweitausend der eigenen Bogenschützen feuerten zum vereinbarten Zeitpunkt die erste Salve ab und danach eilig eine zweite und eine dritte. Mehr als die Hälfte der Folkunger-Reiterei war zu weit vorgedrungen und wurde, als sie mit dem dänischen Feind zusammenprallen wollte, von der Sichel des mörderischen Engels zu Boden gestreckt. Sie starben an Hochmut und Einfalt.
Das minderte die Trauer jedoch nicht. Zu jener Stunde befand sich der junge Birger auf der Anhöhe des Marschalls und war keineswegs der einzige Jüngling aus Forsvik, der seinen Vater verlor.
Sie weinten erst, nachdem der Sieg errungen war.
Als das Trauerjahr kurz vor der Ernte vorüber war, die in diesem Jahr recht gut zu werden versprach, reiste der junge Birger zurück nach Forsvik, obwohl seine Mutter Ingrid Ylva, der nur wenige Junge und Alte zu widersprechen wagten, ihn abwechselnd zu überreden oder ihm zu
gebieten suchte, bei seinen Brüdern in
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