Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
Leute.‹«
Arn trank gemächlich seinen Wein, stellte sein syrisches Glas vorsichtig auf den Tisch und sah Graf Raimund gelassen an, ohne seinem Blick auszuweichen.
»Waren das wirklich die Worte des Koran? Dass man Wein trinken soll?«, fragte dieser nach einem langen, gespannten Schweigen.
»In der Tat«, entgegnete Arn still. »Das war der 69. Vers aus der sechzehnten Sure. Das sollte man sich wirklich
einmal durch den Kopf gehen lassen. Im Vers davor steht zwar, dass Milch vorzuziehen sei, aber es ist trotzdem bedenkenswert.«
Graf Raimund schwieg eine Weile und sah Arn durchdringend an. Dann stellte er plötzlich eine Frage auf Arabisch.
»Woher, Templer, könnt Ihr die Sprache der Rechtgläubigen? Ich habe sie in der Gefangenschaft in Aleppo gelernt, aber Ihr seid doch wohl kaum je Gefangener gewesen?«
»Ganz recht, ich war nie in Gefangenschaft«, antwortete Arn in derselben Sprache. »Ich habe die Sprache von den Gläubigen gelernt, die für uns arbeiten. Dass Leute wie ich im Gegensatz zu Euch nicht in Gefangenschaft geraten können, haben wir heute vor den Mauern gesehen. Deswegen schmerzt es mich, Graf, dass Ihr so schlecht von meinen toten Brüdern sprecht. Sie starben für Gott, für das Heilige Land und für das Grab Gottes. Sie starben aber auch für Euch und die Euren.«
»Wer ist dieser Templer?«, fragte daraufhin Graf Raimund auf Fränkisch. Seine Frage schien an den Burggrafen der Johanniter gerichtet zu sein.
»Das, Graf Raimund«, antwortete der Burggraf leise, »ist der Sieger vom Mont Gisard. Dort besiegten zweihundert Templer dreitausend Mamelucken. Das ist der Mann, den die Sarazenen Al Ghouti nennen. Mit allem Respekt, Graf, aber ich möchte Euch bitten, auf Eure Sprache zu achten, solange Ihr unser Gast seid.«
Alle sahen Graf Raimund an, ohne etwas zu sagen. Als Herrscher über Tripolis und bedeutendster Ritter der Franken war er es gewohnt, an jeder Tafel das Sagen zu haben. Die Verlegenheit, in die er jetzt geraten war, war für ihn gewöhnungsbedürftig. Da er jedoch viel Erfahrung
mit eigenen und fremden Fehlern hatte, beschloss er, die von ihm verursachte Missstimmung so schnell wie möglich auszuräumen.
»Ich habe mich heute Abend wie ein Esel benommen«, sagte er seufzend und lächelte dabei. »Im Gegensatz zu anderen Eseln sehe ich meinen Fehler ein. Ich werde jetzt etwas tun, was ich noch nie in meinem Leben getan habe.«
Mit diesen Worten stand er auf, durchquerte mit langen Schritten den Saal und ging auf Arn zu. Er riss ihn hoch und umarmte ihn, dann ließ er sich auf die Knie sinken, um sich bei ihm zu entschuldigen.
Arn errötete und stotterte, es sei nicht richtig, dass sich ein Weltlicher so vor einem Tempelritter demütige.
Auf diese seltsame Weise begann die lange Freundschaft zweier Männer, die in vielerlei Hinsicht unterschiedlich waren, aber beide den Sarazenen näherstanden als andere Christen.
An jenem Abend waren die beiden bald allein in den Gemächern des Burggrafen. Graf Raimund hatte sich neben Arn gesetzt und darauf beharrt, mit ihm ausschließlich Arabisch zu sprechen, damit die anderen nichts verstanden. Aber auch als sie endlich allein waren, wollte er die Unterhaltung auf Arabisch fortsetzen. Er erklärte Arn, dass die Wände überall in Outremer Ohren hätten. Einiges von dem, was er Arn erzählen wolle, würden bösartige Leute für Verrat halten. Denn bösartige Leute waren jetzt im Königreich Jerusalem an der Macht, und das konnte die endgültige Niederlage herbeiführen.
Am schlimmsten war Agnes de Courtenay, die Mutter des Königs, die sich eine wichtige Position am Hof von Jerusalem verschafft und inzwischen fast am meisten zu sagen hatte. Die eigentliche Macht lag in den Händen
ihrer verschiedenen Liebhaber, von denen die meisten gerade erst im Heiligen Land eingetroffen waren und sich wie Hähne auf dem Misthaufen benahmen. Ihre Fähigkeiten als Ritter waren eher gering. Sie führten sich auf wie am königlichen Hof in Paris oder Rom, kleideten sich nach der letzten Mode und verbrachten ihre Zeit mit heimtückischen Intrigen und unaussprechlichen Sünden mit Knaben vom Sklavenmarkt. Agnes de Courtenays neuester Liebhaber war ein Stutzer namens Lusignan. Mit seinen Intrigen wollte er erreichen, die Schwester des Königs, Sibylla, mit seinem jüngeren Bruder Guy zu verheiraten. So würde dieser Guy selbst bald König von Jerusalem, denn die Tage des jungen aussätzigen Balduin IV. waren gezählt.
Arn begriff wenig von dem,
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