Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
wirkten drohend, obgleich er sich auf ausgesucht höfliche, zeremoniöse Weise an Jurema wandte, wobei er sich mit dem Zeigefinger die Zähne polierte. Nun konnte die Bärtige sie hören:
    »Das hatte er in der Tasche«, sagte Jurema und streckte ihm den Beutel hin.
    Doch Caifás nahm ihn nicht.
    »Ich darf nicht«, sagte er, als hielte etwas Unsichtbares ihn zurück. »Auch das gehört Ruf ino.«
    Ohne Widerrede versteckte Jurema den Beutel in ihren Kleidern. Sie würde jetzt gehen, glaubte die Bärtige, doch die junge Frau fragte Caifás, ihm in die Augen blickend, leise: »Und wenn Rufino gestorben ist?« Caifás überlegte einen Augenblick:
    »Wenn er gestorben ist, wird ein anderer seine Ehre reinwaschen«, hörte ihn die Bärtige sagen, und ihr war, als hörte sie den Zwerg und seine Geschichten von Fürsten und Rittern.
    »Ein Verwandter, ein Freund. Auch ich kann es tun, wenn es sein muß.«
    »Und wenn sie deinem Patron sagen, was du getan hast?« fragte ihn Jurema noch.
    »Er ist nur mein Patron«, erwiderte Caifás mit Bestimmtheit.
    »Rufino ist mehr. Der Patron will den Tod des Ausländers, und der Ausländer wird sterben. Vielleicht an seinen Wunden, vielleicht von Rufinos Hand. Bald wird die Lüge Wahrheit und dieses Haar das Haar eines Toten sein.«
    Er wandte Jurema den Rücken, um sein Pferd zu besteigen. Sie, voll Angst, legte eine Hand auf das Sattelzeug. »Wird er auch mich töten?«
    Die Bärtige bemerkte, daß der Mann im Lederzeug Jurema ohne Mitleid, vielleicht ein wenig verächtlich ansah.
    »Wenn ich Rufino wäre, würde ich dich töten, denn auch auf dir liegt Schuld und vielleicht schlimmere als seine«, sagte Caifás vom Pferd herunter. »Aber ich weiß es nicht, ich bin nicht Rufino. Er wird es wissen.«
    Er gab seinem Pferd die Sporen, und die Capangas ritten mitsamt ihrer seltsamen, stinkenden Beute in der Richtung davon, aus der sie gekommen waren.Kaum war die Messe zu Ende, die Pater Joaquim in der Kapelle Santo Antônio gelesen hatte, holte João Abade die Kiste mit den besorgten Sachen, die er im Sanktuarium gelassen hatte. Eine Frage ging ihm nicht aus dem Kopf: Wieviel Soldaten hat ein Regiment? Er lud sich die Kiste auf die Schulter und ging mit langen Schritten über den holprigen Boden von Monte Belo, den Leuten ausweichend, die auf ihn zukamen, um ihn zu fragen, ob es stimmte, daß ein neues Heer anrückte. Er sagte ja, ohne stehenzubleiben, machte Sprünge, um nicht auf Hühner, Ziegen, Hunde und Kinder zu treten, die ihm zwischen die Beine liefen. Die Schulter schmerzte ihn von der Last, als er bei dem ehemaligen Verwaltungsgebäude ankam.
    Die Leute, die vor der Tür standen, machten ihm Platz, und drinnen unterbrach Antônio Vilanova ein Gespräch mit Antônia, seiner Frau, und seiner Schwägerin Assunção, um ihm entgegenzugehen. Ein kleiner Papagei auf einer Schaukel wiederholte wie verrückt: »Gülück, Gülück.«
    »Ein Regiment kommt«, sagte João Abade und stellte die Kiste ab. »Wie viele Männer sind das?«
    »Er hat Lunten mitgebracht!« rief Antônio Vilanova. In der Hocke sah er eifrig den Inhalt der Kisten durch. Sein Gesicht wurde rund vor Befriedigung, als er außer den Paketen mit Lunten auch noch Oblaten gegen Diarrhöe, Desinfektionsmittel, Kalomel, Öl und Alkohol entdeckte.
    »Was Pater Joaquim für uns tut, ist unbezahlbar«, sagte er und hob die Kiste auf den Ladentisch. Die Regale im Laden quollen über von Büchsen und Flaschen, Eßwaren und jeder Art von Kleidungsstücken, von den Sandalen bis zu den Hüten, und überall lagen Taschen und Schachteln herum, zwischen denen die Sardelinhas und andere Frauen herumgingen. Auf dem Ladentisch, einem Brett über zwei Fässern, lagen ein paar schwarze Bücher, die aussahen wie Abrechnungsbücher auf den Fazendas.
    »Der Pater hat auch Nachrichten mitgebracht«, sagte João Abade. »Ein Regiment, sind das tausend Mann?«
    »Ja, ich hab es gehört, ein Heer kommt«, bestätigte Antônio Vilanova, während er die mitgebrachten Sachen auf dem Ladentisch ausbreitete. »Ein Regiment? Mehr als tausend. Vielleicht zweitausend.«João Abade merkte, daß es ihn nicht interessierte, wie viele Soldaten der Hund diesmal nach Canudos schickte. Er sah ihn, schon etwas kahl, dick, bärtig, mit der für ihn charakteristischen Energie Pakete und Flaschen ordnen. Keinerlei Unruhe lag in seiner Stimme, nicht einmal Interesse. »Er hat zuviel zu tun«, dachte João Abade, während er ihm erklärte, daß sofort jemand nach

Weitere Kostenlose Bücher