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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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João weitere dreißig, am dritten fünfzig. Am Ende der Woche zählte die Wachmannschaft fast vierhundert Mitglieder. Fünfundzwanzig davon waren Frauen, die schießen, Sprengkugeln herstellen, mit dem Jagdmesser und sogar mit der Machete umgehen konnten.
    Am folgenden Sonntag zog die Katholische Wachmannschaft in einer Prozession zwischen einem doppelten Spalier von Leuten, die ihr Beifall klatschten und sie beneideten, durch die Gassen von Canudos. Die Prozession begann am Mittag, und wie bei großen Feierlichkeiten wurden Heiligenfiguren aus der Kirche Santo Antônio und dem im Bau befindlichen Tempel mitgeführt. Raketen knallten und die Luft war erfüllt von Weihrauch und Gebeten. Am Abend wiederholten die Mitglieder der Katholischen Wachmannschaft ihren Eid im noch immer dachlosen Tempel des guten Jesus, und der Himmel funkelte von frühen Sternen, die anscheinend eigens herausgekommen waren, um teilzunehmen am allgemeinen Entzücken.
    Am folgenden Morgen kam in aller Frühe ein Bote Pajeús, um João Abade auszurichten, das Regiment des Hundes sei eintausendzweihundert Mann stark, es komme mit mehreren Kanonen, und der Oberst, der es befehlige, heiße Halsabschneider.
    Mit raschen, präzisen Gesten beendet Rufino die Vorbereitungen zu einer neuen Reise, die ungewisser sein wird als alle früheren. Hose und Hemd, in denen er den Baron auf der Fazenda Pedra Vermelha besucht hat, hat er gegen andere, gleiche, vertauscht, er hat eine Machete, einen Karabiner, zwei Jagdmesser und einen Proviantsack bei sich. Er wirft einen Blick über die Hütte: Schüsseln, Hängematte, Bänke, das Bild der Senhora da Lapa. Sein Gesicht ist verzerrt, fortwährend blinzelt er. Doch einen Augenblick später gewinnt sein eckiges Gesicht den undurchdringlichen Ausdruck zurück. Mit exakten Bewegungen trifft er ein paar Vorbereitungen. Als er fertig ist, legt er Feuer an die Gegenstände, die er auf mehrere Stellen verteilt hat. Ohne Eile geht er zur Tür, nur mit den Waffen und dem Proviantsack. Draußen hockt er sich neben den leeren Pferch und sieht zu, wie ein sanfter Wind die Flammen anfacht, die sein Heim verschlingen. Der Rauch weht zu ihm hin und macht ihn husten. Er steht auf. Er hängt sich den Karabiner um, steckt die Machete neben die Jagdmesser in den Gürtel undhängt sich den Proviantsack über die Schulter. Er dreht sich um und entfernt sich in der Gewißheit, daß er nie mehr nach Queimadas zurückkehren wird. Als er am Bahnhof vorbeigeht, bemerkt er nicht einmal die zur Begrüßung des Siebten Regiments und Moreira Césars dort aufgehängten Spruchbänder und Plakate.
    Fünf Tage später, abends, betritt die schmale, biegsame, staubige Gestalt Ipupiará. Er hat einen Umweg gemacht, um das Jagdmesser zurückzugeben, das er sich vom guten Jesus ausgeliehen hat, ist am Tag durchschnittlich zehn Stunden gegangen, hat ausgeruht in den Stunden der tiefsten Finsternis und der größten Hitze. Einen Tag ausgenommen, an dem er eingekehrt ist, hat er sich sein Essen durch Fallen oder mit der Kugel beschafft. Vor dem Laden sitzen ein paar völlig gleich aussehende alte Männer, die abwechselnd aus einer einzigen Pfeife rauchen. Der Spurenleser wendet sich ihnen zu, zieht den Hut, grüßt. Sie müssen ihn kennen, denn sie fragen ihn nach Queimadas, und alle wollen wissen, ob er Soldaten gesehen hat und was über den Krieg gesprochen wird. Er setzt sich zu ihnen und antwortet, was er weiß, interessiert sich seinerseits für die Leute aus Ipupiará. Ein paar sind gestorben, andere nach Süden gezogen, um dort ihr Glück zu versuchen, und eben erst sind zwei Familien nach Canudos abgewandert. Als es dunkelt, gehen Rufino und die alten Männer im Laden ein Gläschen Schnaps trinken. Eine angenehme Wärme hat die brennende Hitze abgelöst. Nun bringt Rufino das Gespräch mit den gebührenden Umschweifen auf das Thema, von dem sie von Anfang an wußten, daß er es darauf bringen würde. Er benützt die unpersönlichsten Frageformen. Die alten Männer hören ihn an, ohne Verwunderung zu heucheln. Alle stimmen zu und sprechen, der Reihe nach. Ja, er ist da gewesen, eher Gespenst eines Zirkus als Zirkus, so ärmlich, daß man kaum glauben konnte, das sei einmal die prachtvolle Karawane gewesen, die der Zigeuner anführte. Respektvoll hört sich Rufino ihre Erinnerungen an die Vorstellungen früherer Zeiten an. In einer Pause lenkt er sie endlich wieder dahin zurück, wohin er sie gebracht hat, und als hielten die alten Männer die

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