Der Krieg am Ende der Welt
Maria Quadrado eine irdene Schüssel: »Das sollst du allein essen.« Denn die Mutter der Menschen wußte, daß er seine Rationen den Hungrigen schenkte. Während er den Pilgern zuhörte, dankte er Gott, daß seine Seele stark genug war, ihn weder an Hunger noch Durst leiden zu lassen. Ein paar Schluck, ein paar Bissen genügten ihm; nicht einmal auf den Wanderungen durch die Wüste hatte er, wie andere Brüder, an den Qualen des Hungers gelitten. Deshalb hatte nur der Ratgeber dem guten Jesus mehr Fasten dargebracht als er. Alexandrinha Corrêa sagte ihm auch, daß João Abade, João Grande und Antônio Vilanova ihn im Sanktuarium erwarteten.
Noch fast zwei Stunden lang nahm er Pilger auf, und nur einem Kornhändler aus Pedrinha, der Steuereinnehmer gewesen war, untersagte er den Aufenthalt. Ehemalige Soldaten, Spurensucher und Heereslieferanten wies der Beatinho nicht ab. Doch die Steuereinnehmer mußten gehen und durften unter Todesstrafe nicht zurückkehren. Unerbittlich in ihrer Gier, hatten sie die Armen ausgesaugt, ihre Ernten mitgenommen, ihre Tiere geraubt. Sie konnten der Wurm sein, der die Frucht verdarb. Um das Erbarmen des Himmels zu erlangen, erklärte er dem Mann aus Pedrinha, müsse er anderswo, auf eigene Faust und eigenes Risiko, gegen den Hund kämpfen. Dann sagte er den Pilgern auf dem Platz, sie sollten auf ihn warten, und ging ins Sanktuarium. Der halbe Vormittag war um, die Sonne heizte die Steine auf. Viele Menschen wollten ihn aufhalten, doch mit Gesten bedeutete er ihnen, er habe es eilig. Männer der , Katholischen Wachmannschaft begleiteten ihn. Anfangs hatte er diese Eskorte abgelehnt, doch nun begriff er, daß sie unerläßlich war. Ohne diese Brüder würde er Stunden brauchen, um die wenigen Meter von der Kapelle zum Sanktuariumzurückzulegen, denn die Leute bedrängten ihn mit Bitten. Die um das Sanktuarium versammelte Menge war so dicht – Leute jeden Alters streckten die Köpfe nach der kleinen Tür, aus der irgendwann im Lauf des Tages der Ratgeber heraustreten würde –, daß er und die Männer der Katholischen Wachmannschaft darin steckenblieben. Da schwenkten sie ihre blauen Tücher, und ihre Gefährten, die das Sanktuarium bewachten, öffneten dem Beatinho einen Weg. Während er gebückt durch das Spalier der Körper ging, sagte er sich, daß Belo Monte ohne die Katholische Wachmannschaft vom Chaos verschlungen würde: das wäre die Pforte gewesen, durch die der Hund eingedrungen wäre. »Gelobt sei unser Herr Jesus Christus«, sagte er und hörte: »Gelobt sei er.« Er spürte den Frieden, den der Ratgeber um sich verbreitete. Selbst der Lärm auf der Straße war hier Musik.
»Ich schäme mich, daß ich dich habe warten lassen, Vater«, murmelte er. »Immer mehr Pilger kommen, ich kann kaum mehr mit ihnen sprechen und dann erinnere ich mich später nicht mehr an ihre Gesichter.«
»Alle haben das Recht, sich zu retten«, sagte der Ratgeber.
»Freue dich für sie.«
»Es freut mich in der Seele, daß jeden Tag mehr kommen«, sagte der Beatinho. »Auf mich bin ich zornig, weil es mir nicht gelingt, sie richtig kennenzulernen.«
Er setzte sich auf den Boden zwischen João Abade und João Grande, die ihre Karabiner auf den Knien liegen hatten. Außer Antônio Vilanova war auch sein Bruder Honório zugegen, der, nach dem Staub auf seinen Kleidern zu schließen, von einer Reise zurückkam. Der Ratgeber saß auf seiner Pritsche, sehr gerade, eingehüllt in sein violettes Gewand; zu seinen Füßen der Löwe von Natuba, den Bleistift und das Heft in den Händen, den Kopf auf die Knie des Heiligen gelegt, dessen eine Hand in dem wirren schwarzbraunen Haar vergraben war. Stumm und bewegungslos hockten die frommen Frauen an der Wand, das weiße Lamm schlief. Er ist der Ratgeber, der Meister, der Liebling, der Geliebte, dachte der Beatinho voll Hingabe. Wir sind seine Kinder. Wir waren nichts, und er hat uns zu Aposteln gemacht. Er fühlte eine Welle des Glücks, noch einen Flügelschlag des Engels.Er begriff, daß es zwischen João Abade und Antônio Vilanova eine Meinungsverschiedenheit gab. Dieser sagte, er sei dagegen, daß Calumbí verbrannt werde, wie jener es wollte; Belo Monte, und nicht der Böse, würde der Leidtragende sein, wenn die Fazenda des Barons de Canabrava verschwinden würde, denn sie war ihre beste Versorgungsquelle. Er sprach, als fürchte er, jemanden zu verletzen oder etwas Schlimmes zu sagen, und so leise, daß man angestrengt horchen mußte. Wie
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