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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Sprechen zu bringen. Er beschwor, daß nicht er diese Sache geplant habe, sondern dieser von allen Teufeln besessene Dämon, sein Kamerad aus der Kinderzeit. Er habe, zwischen den Zähnen pfeifend in Gedanken an die Süßigkeiten im Kloster, kutschiert, da habe João Grande ihm plötzlich befohlen, die Pferde zu zügeln. Als Senhorita Adelinha fragte, warum sie hielten, sah João Meninho, wie sein Kamerad sie mit solcher Kraft ins Gesicht schlug,daß sie ohnmächtig wurde. Dann habe er ihm die Zügel aus der Hand gerissen und die Pferde jene Anhöhe hinaufgejagt, von der aus die Herrin die Inseln zu betrachten pflegte. Dort habe João Grande mit einer solchen Entschlossenheit, daß er, João Meninho, nicht gewagt habe, ihm in den Arm zu fallen, tausend Greuel an der Senhorita verübt. Er habe sie nackt ausgezogen und über sie gelacht, als sie mit der einen Hand ihre Brüste und mit der andern ihr Geschlecht bedeckte und zitternd von einer Seite auf die andere sprang, um den Steinen auszuweichen, mit denen João Grande sie bewarf, und dabei habe er sie mit den fürchterlichsten Schimpfwörtern beschimpft, die er, João Meninho, je gehört habe. Plötzlich habe er ihr einen Dolch in den Leib gerannt und ihr in seiner Raserei Brüste und Kopf abgeschnitten, als sie schon tot war. Danach sei er keuchend und schweißbedeckt neben dem Blutbad in Schlaf gefallen. Er aber, João Meninho, sei vor Schreck so starr gewesen, daß ihm die Beine den Dienst versagt hätten und er nicht habe fliehen können.
    Eine Weile später sei João Grande erwacht und völlig ruhig gewesen. Ungerührt habe er das Gemetzel betrachtet, dann habe er ihm, dem Meninho, befohlen, eine Grube zu schaufeln, in der sie die Stücke der Senhorita vergraben konnten. Sie hätten die Dunkelheit abgewartet, um zu fliehen, und sich dann vom Ort des Verbrechens entfernt. Tagsüber versteckten sie die Kutsche in einer Höhle, einem Dickicht oder einer Schlucht und nachts ritten sie, mit dem einzigen klaren Gedanken im Kopf, daß sie in Gegenrichtung zum Meer vorankommen müßten. Als es ihnen gelang, Kutsche und Pferde zu verkaufen, besorgten sie sich Vorräte und machten sich landeinwärts auf den Weg, in der Hoffnung, sich einer Gruppe flüchtiger Sklaven anschließen zu können, von denen es Gerüchten zufolge im Busch nur so wimmeln sollte. Sie lebten von der Hand in den Mund, mieden die Dörfer und ernährten sich von Erbetteltem oder Gestohlenem. Ein einziges Mal hatte João Meninho João Grande zu bewegen versucht, über den Vorfall zu sprechen. Rauchend hätten sie unter einem Baum gelegen, und da habe er ihn in einem Anfall von Kühnheit unvermittelt gefragt: »Warum hast du die Herrin getötet?« »Weil ich den Teufel im Leib habe«, habe João Grande auf der Stelle geantwortet. »Sprich mir nichtmehr davon.« Und der Meninho dachte, sein Kamerad habe die Wahrheit gesprochen.
    Sein ehemaliger Spielkamerad flößte ihm zunehmend Furcht ein, er sei seit dem Mord an der Herrin nicht wiederzuerkennen gewesen. Er habe kaum mehr mit ihm gesprochen, habe aber ständig, leise und mit blutunterlaufenen Augen, mit sich selbst geredet. Eines Nachts habe er, João Meninho, gehört, wie er den Teufel »Vater« genannt und ihn gebeten habe, ihm zu Hilfe zu kommen. »Habe ich noch nicht genug getan, Vater?« habe er unter schrecklichen Verrenkungen gestammelt. So kam der Meninho zu der Überzeugung, daß João Grande einen Pakt mit dem Teufel geschlossen habe, und fürchtete, daß er, um sich weitere Verdienste zu erwerben, ihn, João Meninho, ebenso opfern werde wie die Senhorita. Er beschloß, ihm zuvorzukommen. Er habe alles geplant gehabt, aber in der Nacht, als er auf ihn zugekrochen sei, das Messer in der Hand und bereit, zuzustechen, habe er so gezittert, daß João Grande, noch ehe der Meninho etwas getan hatte, die Augen aufgeschlagen habe. Er habe sich nicht bewegt. »Töte mich, Meninho«, habe er gesagt. Da sei er fortgerannt und habe das Gefühl gehabt, alle Teufel seien hinter ihm her.
    Der Meninho wurde im Gefängnis von Salvador gehenkt und die Überreste der Senhorita Adelinha in die klassizistische Kapelle der Fazenda überführt, aber ihren Mörder fanden sie nicht, obwohl die Familie Gumucio in regelmäßigen Abständen den Preis für seine Festnahme erhöhten. Und doch hielt er sich seit der Flucht des Meninho nicht mehr versteckt. Ein Riese von Gestalt, halb nackt, verwahrlost, essend, was ihm in die Falle ging oder was er an den Bäumen

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