Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
auf Läusejagd in seinem struppigen Haar, ihn versenken.
    »Ich weiß nicht, was für eine Botschaft ich Antônio Vilanova mitgegeben habe«, antwortet Catarina, ohne die Inspektion seiner Kopfhaut zu unterbrechen.Sie ist froh, denkt João Abade. Er kennt sie gut genug, um an flüchtigen Schwankungen ihrer Stimme oder Fünkchen in ihren braunen Augen zu erkennen, wann sie es ist. Er weiß, daß die Leute über die Traurigkeit Catarinas reden, die keiner je lachen sieht und wenige sprechen hören. Warum ihnen den Irrtum nehmen? Er hat sie lächeln sehen und sprechen hören, wenn auch immer wie im geheimen.
    »Daß auch du dich verdammst, wenn ich mich verdamme«, murmelt er.
    Wie immer, wenn sie eine Laus in seiner Mähne gefunden haben, halten die Finger seiner Frau inne, um sie mit den Nägeln zu zerknacken. Nach einer Weile macht sie weiter, und João überläßt sich wieder dem Behagen, in dem winzigen Lehmhäuschen in der Rua Menino Jesus ohne Schuhe und mit nacktem Oberkörper auf dem Bett zu liegen, hinter sich, kniend und ihn lausend, seine Frau. Daß die Leute so blind sind, ein Jammer! Ohne zu sprechen, sagen sich Catarina und er mehr, als die geschwätzigste Elster in ganz Canudos sagen könnte. Es ist Vormittag, durch die Ritzen der Brettertür und die Löcher in dem blauen Lappen, der vor dem Fenster hängt, beglänzt die Sonne das einzige Zimmer der Hütte. Draußen sind Stimmen, laufende Kinder, Geräusche beschäftigter Leute zu hören. Als läge die Welt in Frieden, als wären nicht erst vor kurzem so viele Menschen gestorben, daß Canudos eine ganze Woche gebraucht hat, um seine Toten zu begraben und die Leichen der Soldaten nach draußen zu schaffen, damit die Geier sie fraßen.
    »Es ist wahr«, Catarina spricht ihm ins Ohr, ihr Atem kitzelt ihn. »Wenn du in die Hölle kommst, gehe ich mit.«
    João streckt den Arm aus, faßt Catarina um die Taille und zieht sie auf seinen Schoß. Er tut es mit der größten Behutsamkeit, wie jedesmal, wenn er sie berührt, denn wegen ihrer extremen Magerkeit oder aus Gewissensbissen hat er immer die Vorstellung, ihr weh zu tun, und auch jetzt, denkt er, wird er sie loslassen müssen, wird auf diesen Widerstand stoßen, dem er immer begegnet, sobald er sie in den Arm nimmt. Er weiß, daß ihr körperlicher Kontakt unerträglich ist, und hat gelernt, sie zu respektieren und sich selbst Gewalt anzutun, denn er liebt sie. Obwohl sie schon so viele Jahre zusammenleben, haben sie sichphysisch selten geliebt, wenigstens nicht bis zum Ende, denkt João, nicht ohne dieses Abbrechen, das ihn keuchend, schweißgebadet und mit wild klopfendem Herzen zurückläßt. Doch an diesem Morgen, zu seiner Überraschung, weist Catarina ihn nicht ab. Im Gegenteil, sie kuschelt sich auf seine Knie, und er fühlt ihren schmächtigen, fast busenlosen Körper mit den vorspringenden Rippen an seinem.
    »Im Gesundheitshaus hatte ich Angst um dich«, sagt Catarina. »Als wir die Verwundeten versorgten und die Soldaten schossen und Fackeln warfen. Ich hatte Angst. Um dich.«
    Sie sagt es nicht fiebernd, nicht leidenschaftlich, sondern unpersönlich, jedenfalls kühl, als spräche sie von anderen. Doch João Abade spürt eine tiefe Rührung und, plötzlich, Begehren. Seine Hand gleitet unter den Kittel Catarinas, streichelt ihren Rücken, die Rippen, die winzigen Brustwarzen, während sein Mund ihren Hals, ihre Wangen hinunterwandert und ihre Lippen sucht. Catarina läßt es zu, daß er sie küßt, aber den Mund öffnet sie nicht, und als João versucht, sie aufs Bett zu werfen, macht sie sich steif. Sofort läßt er sie los, tief atmend, die Augen schließend. Catarina steht auf, richtet sich die Bluse, bindet das blaue Kopftuch um, das heruntergefallen ist. Die Decke der Hütte ist so niedrig, daß sie gebückt in die Ecke gehen muß, wo sie die Vorräte (wenn welche da sind) verwahrt: das Dörrfleisch, den Mais, die Bohnen, die Zuckerkruste. João sieht ihr zu, wie sie das Essen bereitet, und überlegt, wie viele Tage – oder Wochen? – er nicht mehr das Glück gehabt hat, ohne den Gedanken an den Krieg und den Antichrist mit ihr allein zu sein.
    Nach einer Weile setzt sich Catarina neben ihn aufs Bett, in der Hand eine Holzschüssel mit Bohnen, mit Mehl bestäubt. Sie hat einen Holzlöffel mitgebracht, den sie abwechselnd benutzen: auf zwei oder drei Bissen für ihn kommt einer für sie.
    »Stimmt es, daß die Indios aus Mirandela Belo Monte gerettet haben?« flüstert Catarina. »Joaquim

Weitere Kostenlose Bücher