Der Krieg am Ende der Welt
Offiziere auf die Straße kommen und plaudern, Gitarrespielen, sich Lieder aus ihrer Heimat anhören und den Schnaps trinken, den sie sich um ein Heidengeld beschafft haben. Da und dort stehen Gruppen von Soldaten mit aufgeknöpftem Hemd, aber Ortsansässigen sieht er nicht einen auf der ganzen Strecke zum Hauptplatz, auf dem diese würdevollen, immer mit Vögeln bevölkerten Ouricuri-Palmen stehen. Es gibt kaum mehr Ortsansässige in Queimadas. Außer dem einen oder anderen alten, kranken oder apathischen Viehtreiber, der mit unverhohlenem Haß aus dem Haus herausschaut, das er mit den Eindringlingen teilen muß, sind sie alle verschwunden.
An der Ecke der Pension Nossa Senhora das Graças – »Kein Zutritt für Personen ohne Hemd«, liest er an der Fassade – erkennt Leutnant Pires Ferreira in dem jungen Offizier mit dem sonnengebräunten Gesicht, der ihm entgegenkommt, Leutnant Pinto Souza aus seinem Bataillon. Er ist erst eine Woche hier und hat noch den Elan der frisch Angekommenen. Sie haben sich angefreundet, in den Nächten gehen sie zusammen spazieren.
»Ich habe deinen Bericht über Uauá gelesen«, sagt er und macht kehrt, um Leutnant Pires Ferreira zum Lager zu begleiten. »Das ist ja schrecklich.«
Unter der als Sonnenschutz hochgehobenen Hand sieht ihn Leutnant Pires Ferreira an.
»Für uns, die wir es erlebt haben, sicher. Vor allem für den armen Doktor Antônio Alves dos Santos«, sagt er. »Aber das in Uauá ist nichts im Vergleich zu dem, was Major Febrônio de Brito und Oberst Moreira César passiert ist.«
»Ich spreche nicht von den Toten, ich meine das, was du über die Uniformen und die Waffen schreibst«, berichtigt ihn Leutnant Pinto Souza.
»Ah, das«, murmelt Leutnant Pires Ferreira.
»Ich begreife das nicht«, ruft sein Freund konsterniert aus.
»Die Heeresleitung hat nichts unternommen!«
»Der zweiten und der dritten Expedition ist es gegangen wie uns«, sagt Pires Ferreira. »Die Hitze, die Dornen, der Staub haben sie fertiggemacht, noch bevor die Jagunços kamen.«
Er zuckt die Achseln. Gleich nach der Niederlage, als er wieder in Juazeiro war, hatte er mit Tränen in den Augen diesen Bericht geschrieben, weil er wollte, daß die Erfahrungen, die ergemacht hatte, seinen Kameraden zugute kämen. In allen Einzelheiten legte er dar, daß Sonne, Regen und Staub die Uniformen brüchig machten, daß die Flanelljacken und Tuchhosen zu Brei wurden und am Gestrüpp der Caatinga zerrissen. Er berichtete, daß die Soldaten Mützen und Schuhe verloren und die meiste Zeit barfuß gehen mußten. Aber am gründlichsten, gewissenhaftesten, nachdrücklichsten ließ er sich über die Waffen aus: »Ungeachtet ihrer hervorragenden Zielgenauigkeit geht die Mannlicher leicht kaputt: ein paar Sandkörner im Patronenlager genügen, und das Schloß funktioniert nicht mehr. Andererseits dehnt die Hitze bei länger anhaltendem Schießen den Lauf, und gleichzeitig verengt sich das Patronenlager und die Patronen passen nicht mehr hinein. Durch die Hitze verbiegt sich der Auszieher, und die Patronenhülsen müssen von Hand entfernt werden. Schließlich ist der Gewehrkolben so schwach, daß er beim ersten Schlag bricht.« Er hat es nicht nur geschrieben, er hat es allen Kommissionen gesagt, die ihn befragt haben, und in Dutzenden privater Gespräche wiederholt. Was hat es genützt?
»Zuerst glaubte ich, sie glauben mir nicht«, sagte er. »Ich dachte, sie nähmen an, ich hätte den Bericht nur verfaßt, um meine Niederlage zu entschuldigen. Inzwischen weiß ich, warum die Heeresleitung nichts unternimmt.«
»Warum?« fragt Leutnant Pinto Souza.
»Sollen sie die Uniformen aller Einheiten des brasilianischen Heeres auswechseln? Sind nicht alle aus Flanell und Tuch? Sollen sie sämtliche Stiefel auf den Müll werfen? Alle Mannlicher, die wir haben, ins Meer schmeißen? Sie müssen weiter benutzt werden, ob sie taugen oder nicht.«
Sie sind im Lager des Dritten Infanteriebataillons angekommen, das am rechten Ufer des Itapicurú liegt. Während andere Lager weiter flußaufwärts errichtet wurden, grenzt dieses an die Stadt: eine Reihe von Baracken, den rötlichen, von großen dunklen Steinen durchsetzten Abhängen gegenüber, dazwischen die grünschwarzen Wasser des Flusses. Die Soldaten der Kompanie erwarten den Leutnant: Züchtigungen sind immer gut besucht, sie gehören zu den wenigen Belustigungen des Bataillons. Der Soldat Queluz steht schon bereit, mit entblößtem Rücken, um ihn herum ein Kreis
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