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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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von Soldaten, die über ihnwitzeln. Lachend witzelt er zurück. Als die zwei Offiziere kommen, werden sie ernst, und Pires Ferreira sieht plötzlich Angst in den Augen des Delinquenten aufblitzen, die dieser jedoch zu verbergen sucht, indem er seine spaßige, aufmüpfige Miene beibehält.
    »Dreißig Schläge«, liest er auf dem Tagesbefehl. »Das ist viel. Wer hat dir die Strafe gegeben?«
    »Oberst Joaquim Manuel de Madeiros, Exzellenz«, murmelt Queluz.
    »Was hast du angestellt?« fragt Pires Ferreira. Er streift den Lederhandschuh über, damit die Blasen an seinen Händen durch das Scheuern der Ruten nicht aufspringen. Queluz blinzelt verlegen, schielt nach links, nach rechts.
    »Nichts, Exzellenz«, sagt er, sich verschluckend.
    Pires Ferreira blickt fragend auf die etwa hundert Soldaten, die den Kreis bilden.
    »Er wollte einen Trompeter vom Fünften Regiment vergewaltigen«, sagt Leutnant Pinto Souza angeekelt. »Einen Jungen, der noch keine fünfzehn ist. Der Oberst selbst hat ihn dabei erwischt. Du bist pervers, Queluz.«
    »Das stimmt nicht, das stimmt nicht«, sagt der Soldat, den Kopf schüttelnd. »Der Oberst hat meine Absichten falsch ausgelegt. Wir haben anständig im Fluß gebadet. Ich schwöre es.«
    »Und deshalb hat der Trompeter um Hilfe geschrien?« sagt Pinto Souza. »Sei nicht zynisch.«
    »Der Trompeter hat meine Absichten auch falsch ausgelegt, Exzellenz«, sagt der Soldat ganz ernst. Aber als ein allgemeines Gelächter losbricht, muß er selber lachen.
    »Je eher wir anfangen, desto eher sind wir fertig«, sagt Pires Ferreira und nimmt eine der Ruten, die eine Ordonnanz bereithält. Er probiert sie in der Luft, und bei der peitschenden, wie ein Insektenschwarm sirrenden Bewegung weicht der Kreis der Soldaten zurück. »Binden wir dich fest, oder stehst du es als tapferer Kerl durch?«
    »Als tapferer Kerl, Exzellenz«, sagt der Soldat Queluz, der bleich geworden ist.
    »Also, kehr um und halt die Eier fest«, befiehlt Leutnant Pires Ferreira.Er versetzt ihm kraftvoll die ersten Hiebe und sieht ihn taumeln, sooft die Rute seinen Rücken striemt; dann schlägt er um so sanfter, je mehr er selber ins Schwitzen gerät. Die Soldaten zählen die Schläge. Sie sind noch nicht bei zwanzig, als die violetten Streifen auf dem Rücken zu bluten beginnen. Unter dem letzten Hieb bricht der Soldat in die Knie, steht aber wieder auf und kehrt sich schwankend dem Leutnant zu:
    »Vielen Dank, Exzellenz«, murmelt er, das Gesicht schwimmend in Schweiß, die Augen blutunterlaufen.
    »Tröste dich, ich bin genauso geschöpft wie du«, keucht Pires Ferreira. »Geh in die Krankenstation und laß dich desinfizieren. Und laß die Trompeter künftig in Ruhe.«
    Die Runde löst sich auf. Ein paar Soldaten entfernen sich mit Queluz, dem einer ein Handtuch überwirft, während andere die Lehmböschung hinuntergehen, um sich im Itapicurú zu erfrischen. Pires Ferreira wäscht sich das Gesicht in einem Kübel Wasser, den seine Ordonnanz ihm hinstellt. Er unterschreibt den Wisch, zum Beweis, daß die Züchtigung erfolgt ist. Gleichzeitig beantwortet er die Fragen von Leutnant Pinto Souza, dem sein Bericht über Uauá nicht aus dem Kopf geht. »Waren diese Gewehre alt oder eben erst gekauft?«
    »Sie waren nicht alt«, sagt Pires Ferreira. »1884 sind sie auf dem Feldzug von São Paulo und Paraná benutzt worden. Aber nicht das Alter ist schuld an den Schäden. Das Problem ist die Konzeption der Mannlicher. Sie wurde in Europa für ganz andere Umwelt- und Klimaverhältnisse entworfen, für ein Heer mit einer ganz anderen Wartungskapazität, als wir sie haben.«
    Trompetengeschmetter in sämtlichen Lagern unterbricht ihn. »Allgemeines Sammeln«, sagt Pinto Souza. »Das war nicht angekündigt.«
    »Sicher wegen der hundert gestohlenen Comblains, die das Kommando verrückt machen«, sagt Pires Ferreira. »Vielleicht haben sie die Diebe gefunden und wollen sie erschießen.«
    »Womöglich ist der Kriegsminister gekommen«, sagt Pinto Souza. »Er hat sich angemeldet.«
    Sie gehen zum Sammelplatz des Dritten Bataillons, aber dort erfahren sie, daß auch die Offiziere des Siebten und des Vierzehnten Bataillons, also der ganzen Ersten Brigade, zusammengerufen werden. Sie laufen zum Befehlsstand, der eine viertel Wegstunde flußaufwärts in einer Lohgerberei am Itapicurú untergebracht ist. Unterwegs stellen sie eine ungewöhnliche Betriebsamkeit in allen Lagern fest, und der Trompetenwirrwarr hat derart zugenommen, daß die

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