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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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jedem Rückstoß des Kolbens eine Delle in seiner Schulter. Während er hastig den Revolver lädt, sieht er sich um. Die Freimaurer greifen von allen Seiten an, in Pedräos Gebiet stehen sie noch näher als hier; schon haben ein paar Bajonette den Rand der Barrikade erreicht, und Jagunços, plötzlich mit Knüppeln und Eisenstangen bewaffnet, holen aus und schlagen wütend auf sie ein. Er sieht Pedräo nicht mehr. Rechts von ihm, in einer ungeheuren Staubwolke, fluten die Wellen der Uniformen in die Espirito Santo, die Santa Ana, São José, Santo Tomás, Santa Rita, Säo Joaquim. Durch jede dieser Gassen können sie in Sekunden in die São Pedro oder Campo Grande vorrücken, ins Herz von Belo Monte, und die Kirchen und das Sanktuarium angreifen. Jemand zieht ihn am Fuß. Ein Junge schreit ihm zu, der Straßenkommandant wünsche ihn zu sprechen: in der São Pedro. Der Junge übernimmt seinen Platz auf dem Schutzwall.
    Während er die Steigung der São Crispim hochtrottet, sieht er zu beiden Seiten der Straße Frauen, die Eimer und Kisten mitSand füllen und sich auf die Schulter heben. Zwischen den Häusern mit eingebrochenen Dächern, den zerschossenen, rauchgeschwärzten Fronten, den eingestürzten oder abgerissenen Mauern ist alles Staub, Rennen, Durcheinander. Den Sinn dieser frenetischen Betriebsamkeit entdeckt er, als er in der São Pedro ankommt, der Parallelstraße zur Campo Grande. Da ist der Straßenkommandant, zwei gekreuzte Karabiner auf der Brust, und errichtet Straßensperren an allen dem Fluß zugewandten Ecken. Er streckt ihm die Hand entgegen, und ohne jede Vorrede – aber ohne Hast, denkt Antônio, mit der nötigen Ruhe, damit ihn der ehemalige Kaufmann genau versteht – bittet er ihn, auf die gleiche Weise alle Querstraßen der São Pedro zu verrammeln. Alle nur verfügbaren Leute sollen ihm dabei helfen.
    »Sollten wir nicht besser den Schutzwall da unten verstärken«, sagt Antônio und zeigt in die Richtung, aus der er kommt.
    »Dort werden wir nicht lange durchhalten, dort ist alles offen«, sagt der Straßenkommandant. »Hier werden sie sich selbst in die Quere kommen und stören. Es müssen richtige Mauern werden, dick, hoch.«
    »Keine Sorge, João Abade. Geh, ich übernehme das.« Doch als der andere kehrtmacht, fügt er hinzu: »Und Pajeú?«
    »Lebt«, sagt João Abade, ohne sich umzuwenden. »In Fazenda Velha.«
    Er verteidigt die Brunnen, denkt Antônio Vilanova. Wenn sie dort vertrieben werden, haben sie keinen Tropfen Wasser mehr. Nach den Kirchen und dem Sanktuarium sind die Brunnen das Wichtigste, um zu überleben. Der ehemalige Cangaceiro verschwindet hügelab, dem Fluß zu, in einer Staubwolke, und Antônio dreht sich um nach den Türmen am Tempel des guten Jesus. Aus abergläubischer Furcht, sie nicht mehr an ihrem Platz zu finden, hat er nicht hingesehen, seit er nach Belo Monte zurückgekehrt ist. Dort stehen sie, schartig, aber aufrecht, mit ihrem starken Steinskelett, das den Kugeln, den Granaten, dem Sprengstoff der Hunde standhält. Auf dem Glockenturm, den Dächern, den Gerüsten stehen Jagunços und schießen unablässig, andere hocken oder sitzen auf dem Dach und dem Glockenturm von Santo Antônio und tun das gleiche. In den Trauben von Schützen der Katholischen Wachmannschaft, die aus den Barrikaden am Sanktuarium feuern, erkennt er João Grande. Das alles erfüllt ihn mit Zuversicht, verscheucht ihm die panische Angst, die ihn überfiel, als er João Abade sagen hörte, die Schutzwälle weiter unten würden unvermeidlich überrannt werden, dort sei keine Hoffnung, die Soldaten aufzuhalten. Ohne weiter Zeit zu verlieren, ruft er Scharen von Frauen, Kindern und alten Leuten zusammen und befiehlt ihnen, an den Ecken der São Crispim, São Joaquim, Santa Rita, São Tomás, Espirito Santo, Santa Ana, São José die Häuser einzureißen, um diesen Teil von Belo Monte in einen unentwirrbaren Urwald zu verwandeln. Sein Gewehr als Rammbock benutzend, zeigt er ihnen, wie sie es machen müssen. Schützenlöcher graben, Schutzwälle errichten, das ist Bauen, Organisieren, und das sind Dinge, von denen Antônio Vilanova mehr versteht als vom Krieg.
    Da alle Gewehre, alle Munitions- und Sprengstoffkisten weggeschafft worden waren, erschien der Laden dreimal so groß wie zuvor. Die große Leere verstärkte das Verlassenheitsgefühl des kurzsichtigen Journalisten. Der Kanonendonner tilgte die Zeit. Wie lange war er schon mit der Mutter der Menschen und dem Löwen von Natuba in

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