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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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bedeutete für Antônio die Rückkehr zum Wohlstand. Neben der Mine hatte er bald auch ein Geschäft, und er begann mit Pferden zu handeln, die er mit gutem Gewinn kaufte und verkaufte. Als in diesem für sein Leben entscheidenden Dezember sintflutartige Regenfälle den Dorfbach in einen reißenden Strom verwandelten, der die Hütten mitriß und Hühner und Ziegen ersäufte und in einer Nacht den Salzstock überschwemmte und unter einem Meer von Schlamm begrub, war Antônio auf dem Jahrmarkt von Nordestina, wohin er mit einer Last Salz und in der Absicht, Maultiere zu kaufen, gereist war.
    Eine Woche später kam er zurück. Die Wasser waren am Sinken. Honório, die Sardelinhas und das halbe Dutzend Tagelöhner, die jetzt für sie arbeiteten, waren trostlos, doch Antônio nahm die neuerliche Katastrophe mit Gelassenheit auf. Er prüfte, was ihm geblieben war, stellte in einem Heft Berechnungen an und machte den Seinen mit der Nachricht Mut, er habe noch eine Menge Schulden einzutreiben und wegen einer Überschwemmung werde er sich nicht geschlagen geben: er habe, wie eine Katze, viele Leben.
    Doch in dieser Nacht schloß er kein Auge. Sie waren im Hauseines Freundes untergekommen, am Hang, auf den sich alle Leute aus dem Dorf geflüchtet hatten. Seine Frau hörte, wie er sich in der Hängematte wälzte, und der Mond zeigte ihr das von Sorgen zerquälte Gesicht ihres Mannes. Am Morgen eröffnete ihnen Antônio, sie sollten sich fertigmachen, sie würden Caatinga do Moura verlassen. Er sagte es so bestimmt, daß weder sein Bruder noch seine Frau ihn zu fragen wagten, weshalb. Sie verkauften, was sie nicht mitnehmen konnten, beluden den Karren mit Bündeln und nahmen es einmal mehr mit der Unsicherheit der Wege auf. An einem dieser Tage hörten sie Antônio etwas Verwirrendes sagen: »Es war der dritte Fingerzeig«, murmelte er, und ein Schatten lag auf dem Grund seiner Pupillen. »Dieses Hochwasser kam über uns, damit wir etwas tun, ich weiß noch nicht, was.« Honório fragte ihn wie beschämt: »Ein Fingerzeig Gottes, Compadre?« »Es könnte auch einer des Teufels sein«, sagte Antônio.
    Sie stolperten weiter, eine Woche hier, einen Monat dort, und glaubte die Familie, sie würden in einem Ort bleiben, beschloß Antônio unvermittelt, weiterzuziehen. Dieses Suchen nach etwas oder jemand so Unsicherem beunruhigte sie, aber keiner protestierte gegen den ständigen Ortswechsel.
    Nachdem sie fast acht Monate lang durch die Sertöes gezogen waren, ließen sie sich auf einer Fazenda des Barons de Canabrava nieder, die seit der Dürre verlassen war. Der Baron hatte sein Vieh mitgenommen und zurück blieben nur, über die Gegend verstreut, ein paar Familien, die kleine Grundstücke am Vaza Barris bebauten und ihre Ziegen in die immergrüne Serra de Canabrava trieben. Wegen der geringen Zahl der Einwohner und der Berge rings um den Ort erschien Canudos für einen Kaufmann so ungeeignet wie möglich. Doch Antônio schien ein Stein vom Herzen gefallen zu sein, sobald sie sich in dem alten, heruntergekommenen Haus des Verwalters eingerichtet hatten. Sofort begann er mit dem alten Schwung, Geschäfte auszuhecken und das Leben der Familie zu organisieren. Und dank seinem Fleiß kaufte und verkaufte das Geschäft der Vilanova ein Jahr später Waren zehn Kilometer im Umkreis. Wieder war Antônio ständig auf Reisen.
    Doch an dem Tag, als die Pilger auf den Hängen des Cambaio erschienen und, mit der vollen Kraft ihrer Lungen Loblieder aufden guten Jesus singend, auf der einzigen Straße nach Canudos einzogen, war er zu Hause. Von der Veranda der ehemaligen Verwaltung aus, die nun in ein Wohnhaus mit Ladengeschäft umgebaut war, sah er diese inbrünstig frommen Menschen kommen. Sein Bruder, seine Frau, seine Schwägerin sahen ihn bleich werden, als der Mann in Violett auf ihn zukam. Sie erkannten die brennenden Augen, die tiefe Stimme, die Hagerkeit. »Hast du nun rechnen gelernt?« sagte der Heilige lächelnd und reichte dem Kaufmann die Hand. Antônio Vilanova fiel auf die Knie, um die Finger des Heiligen zu küssen.
    »In meinem letzten Brief, Genossen, habe ich Euch von einem Volksaufstand im Innern Brasiliens nach den Auskünften eines voreingenommenen Augenzeugen (eines Kapuziners) berichtet. Heute habe ich eine bessere Aussage über Canudos für Euch: die eines Mannes, der aus dem Aufstand kommt und die Gegend bereist hat, vermutlich mit dem Auftrag, Anhänger zu werben. Auch etwas Aufregendes habe ich Euch mitzuteilen: es

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