Der Krieg am Ende der Welt
entstandenen Häuschen dahinschlängelten. Der Ratgeber predigte jeden Abend auf dem Gerüst des Tempels. Schwerere Proben stünden Canudos bevor, niemand dürfe sich unterjochen lassen von Furcht, der gute Jesus helfe denen, die glaubten. Ein häufiges Thema war nach wie vor das Ende der Welt. Die Erde sei müde, nachdem sie so viele Jahrhunderte lang Pflanzen und Tiere hervorgebracht und dem Menschen Schutz geboten habe, sie würde den Vater bitten, ausruhen zu dürfen. Gott würde zustimmen und die Zerstörung würde beginnen. So verkündeten es die Worte der Bibel: Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.
Während die Behörden von Bahia, wegen der Vorfälle in Uauá, vom Jornal de Notícias und der Progressiven Republikanischen Partei erbarmungslos kritisiert, ein zweites Expeditionskorps aufstellten, sechsmal stärker an Zahl als das erste und mit zwei Krupp-Kanonen Kaliber 7½ und zwei Maschinengewehren Nordenfelt ausgerüstet, und es unter dem Befehl des Majors Febrônio de Brito mit dem Zug nach Queimadas schickten, von wo es zu Fuß weiterziehen sollte, um die Jagunços zu züchtigen, bereiteten diese sich in Canudos auf das Jüngste Gericht vor. Unter dem Vorwand, es zu beschleunigen oder der Erde Ruhe zu verschaffen, zogen ein paar Ungeduldige aus und säten Verwüstung. Tobend vor Liebe steckten sie auf den Höhen, die Canudos von der Welt trennten, Häuser und Felder in Brand. Viele Fazendeiros und Bauern gaben ihnen Geschenke, um ihre Saaten zu retten, und trotzdem brannten diese Exaltierten eine stattliche Anzahl von Hütten nieder. José Venancio, Pajeú, João Grande, die Macambira mußten hinausgehen, um den Rasenden Einhalt zu gebieten, die die Erde verbrannten, um ihr Ruhe zu verschaffen, und der Beatinho, die Mutter der Menschen, der Löwe von Natuba erklärten ihnen, daß sie die Ratschläge des Heiligen falsch ausgelegt hätten.Obwohl neue Wallfahrer ankamen, litt Canudos auch in diesen Tagen keinen Hunger. Maria Quadrado nahm eine Gruppe von Frauen zu sich – der Beatinho nannte sie den Heiligen Chor –, damit sie ihr halfen, den Ratgeber zu stützen, wenn ihm vom Fasten die Beine schwankten, ihm die wenigen Bissen Essen zu reichen, die er zu sich nahm, und ihm als Schutzwehr zu dienen, damit ihn die Pilger nicht erdrückten, die ihn berühren wollten und ihn belagerten mit der Bitte um Fürsprache beim guten Jesus für die blinde Tochter, den invaliden Sohn, den verschwundenen Ehemann. Unterdessen waren andere Jagunços damit beschäftigt, Vorräte für die Stadt und ihre Verteidigung heranzuschaffen. Sie waren entsprungene Sklaven gewesen, wie João Grande, oder Cangaceiros mit vielen Toten in ihrem Lebenslauf, wie Pajeú oder João Abade, und waren nun Männer Gottes. Doch praktische Männer waren sie nach wie vor, aufmerksam auf das Irdische, feinfühlig für Hunger und Krieg, und sie waren es, die auch jetzt, wie schon in Uauá, die Initiative ergriffen. Sie bändigten nicht nur die Scharen der Brandstifter, sie brachten auch Vieh, Pferde, Maultiere, Esel und Zicklein nach Canudos, die ihnen die Fazendas nolens volens als Geschenk für den guten Jesus überließen, und in die Speicher von Antônio und Honório Vilanova verfrachteten sie Mehl, Korn, Kleider und vor allem die Waffen, die sie bei ihren Ausflügen auftrieben. Innerhalb weniger Tage füllte sich Canudos mit Vorräten. Gleichzeitig zogen einsame Emissäre wie biblische Propheten durch die Sertöes; bis an die Küste gingen sie hinunter und riefen die Leute auf, nach Canudos zu kommen, um gemeinsam mit den Auserwählten gegen diese Erfindung des Hundes zu kämpfen: die Republik. Es waren merkwürdige Boten des Himmels, die Lederzeug trugen statt Kutten und aus deren Mündern die derben Wörter der Ausgestoßenen kamen, und alle kannten sie, weil sie Dach und Elend mit ihnen geteilt hatten, bis sie eines Tages, vom Engel gestreift, nach Canudos gezogen waren. Sie waren dieselben, sie trugen die gleichen Jagdmesser, Karabiner, Macheten, und waren doch andere, denn nun sprachen sie nur noch vom Ratgeber, von Gott oder dem Ort, aus dem sie kamen, und die Überzeugung und der Stolz, mit dem sie es taten, wirkten ansteckend. Die Leute nahmen sie gastlich auf, hörten sie an, und viele, diezum erstenmal so etwas wie Hoffnung verspürten, schnürten ihr Bündel und gingen mit.
Die Streitkräfte unter Major Febrônio de Brito standen schon in Queimadas. Es waren fünfhundertdreiundvierzig Soldaten, vierzehn
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