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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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oder sich Nadeln ins Fleisch bohrten. Heilkundige behaupteten, sie könnten mit Tränken aus Jurema und Manacá jegliche Krankheit heilen, und ein paar Fromme sagten im Delirium der Zerknirschung laut ihre Sünden auf und baten jeden, der sie hörte, ihnen Strafen aufzuerlegen. Eine Gruppe von Leuten aus Juazeiro begann in Canudos Riten der Bruderschaft der Büßer zu praktizieren: Fasten, sexuelle Enthaltsamkeit, öffentliche Geißelungen. Obwohl der Ratgeber die Abtötung des Fleisches und die Askese befürwortete – Leiden, sagte er, stärke den Glauben –, war er über diese Praktiken besorgt und bat den Beatinho, die Pilger genau zu überprüfen, damit nicht zuletzt Aberglaube, Fetischismus oder sonst eine als Frömmigkeit getarnte Gottlosigkeit in Canudos einzögen.
    Die unterschiedlichsten Menschen lebten in Canudos ohne Gewalttätigkeit in brüderlicher Solidarität in einem Klima des Überschwangs, wie es die Auserwählten noch nicht erlebt hatten. Sie fühlten sich tatsächlich reich, weil sie arm waren, Kinder Gottes, Bevorrechtete, wie es ihnen der Mann im durchlöcherten Gewand jeden Abend sagte. Zudem hörten in der Liebe zu ihm alle Unterschiede auf, die sie hätten trennen können. Wenn es um den Ratgeber ging, wurden diese Frauen und Männer, die Hunderte gewesen waren und bald in die Tausende gingen, ein einziges, ergebenes und ehrfürchtiges Wesen, bereit, alles hinzugeben für ihn, der es vermocht hatte, zu ihrem Elend, ihrem Hunger und ihren Läusen zu kommen, um ihnen Hoffnung zu geben und sie stolz zu machen auf ihr Schicksal. Trotz des Zustroms an Einwohnern war das Leben nicht chaotisch. Die Emissäre und die Pilger brachten Vieh und Vorräte mit, die Pferche standen so voll wie die Vorratskammern, und der Vaza Barris hatte zum Glück Wasser für die Landwirtschaft. Während João Abade, Pajeú, José Venancio, João Grande, Pedrão und andere den Krieg vorbereiteten, verwalteten Antônio und Honório Vilanova die Stadt: sie nahmen die Geschenke der Pilger in Empfang, verteilten Bauplätze, Lebensmittel und Kleider und beaufsichtigten die Gesundheitshäuser. Ihnen wurden auch die Klagen vorgetragen, wenn es irgendwo Streit um Besitztümer gab.Täglich kamen Nachrichten vom Antichrist. Das Expeditionskorps von Major Febrônio de Brito war von Queimadas nach Monte Santo gezogen, am Abend des 29. Dezember hatte es, um einen Gefreiten weniger, der am Biß einer Klapperschlange gestorben war, die Ortschaft profaniert. Ohne Groll erklärte der Ratgeber, was da geschehen war. War es nicht eine Gotteslästerung, ein Greuel, daß Männer mit Feuerwaffen und in zerstörerischer Absicht ihre Feldlager in einem Heiligtum aufschlugen, das Pilger aus der ganzen Welt anzog? Doch Canudos, das er an diesem Abend Belo Monte nannte, dürfe von den Gottlosen nicht geschändet werden. Beschwörend drang er in sie, sich den Feinden der Religion nicht zu ergeben, die es darauf abgesehen hatten, die Sklaven wieder in den Block zu schicken, die Leute mit Steuern auszusaugen und sie daran zu hindern, sich kirchlich trauen und begraben zu lassen, die sie verwirrten mit Fallen wie dem metrischen System, der statistischen Landkarte und der Volkszählung, deren wahre Absicht es war, sie zu betrügen und zur Sünde zu verleiten. Alle durchwachten diese Nacht, die Waffen griffbereit. Die Freimaurer kamen nicht. Sie lagen in Monte Santo, reparierten die Krupp-Kanonen, die durch das holprige Gelände dejustiert waren, und warteten auf Verstärkung. Als sie zwei Wochen später in mehreren Kolonnen durch das Cariacá-Tal nach Canudos aufbrachen, war ihre Route gespickt mit Spionen: sie hockten in Ziegenhöhlen, im dichten Busch oder in Gruben, die sie mit einem Kuhgerippe tarnten, wobei der Schädel als Ausguck diente. Pfeilschnelle Boten brachten die Nachricht von Vormärschen und unfreiwilligen Aufenthalten des Feindes nach Canudos.
    Als sie erfuhren, daß er nach enormen Schwierigkeiten bei der Beförderung der Kanonen und Maschinengewehre endlich nach Mulungu gelangt war und daß der Hunger sie genötigt hatte, ihre letzte Kuh und zwei Zugtiere zu schlachten, meinte der Ratgeber, der Vater scheine mit Canudos nicht unzufrieden zu sein, da er die Soldaten der Republik schwäche, noch ehe sie den Kampf begonnen hätten.»Weißt du, wie man das nennt, was dein Mann gemacht hat?« sagt Galileo Gall, Silbe um Silbe, mit vor Ärger sich überschlagender Stimme. »Einen Verrat. Nein, einen doppelten Verrat. An mir, mit dem er

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