Der Krieg der Ketzer - 2
tragen.«
»Wie bitte, Euer Majestät?« Nun klang Gray Harbor ernstlich so, als sei er sich nicht ganz sicher, seinen Monarchen richtig verstanden zu haben, und Haarahld stieß ein bellendes Lachen aus.
»Jetzt fragen Sie sich, ob ich nicht vielleicht den Verstand verloren habe, nicht wahr, Rayjhis?«, fragte er.
»Keineswegs, Euer Majestät!« Gray Harbor klang immer noch äußerst skeptisch, doch in seinem Blick war ein Funken Belustigung zu erkennen.
»Oh doch, genau das tun Sie gerade«, widersprach ihm Haarahld rundheraus. »Und wir wollen hoffen, dass die Gegenseite sich genau die gleichen Gedanken macht.«
»Was genau hast du denn nun eigentlich vor, Vater?«, erkundigte sich jetzt Cayleb und blickte den König äußerst gespannt an.
»Ich bezweifle sehr, dass Sharleyan allzu erbaut davon sein wird, Teil dieser ›Nordstreitmacht‹ zu sein«, setzte Haarahld an. »Und wenn sie nur widerstrebend kooperiert, weil sie das eigentlich gar nicht will, dann werden ihre Admiräle sich nicht gerade voller Inbrunst ins Gefecht stürzen, um Hektars Pläne in die Tat umzusetzen. Und das bedeutet, rein praktisch gesehen, dass die Geschwader, die sie noch zu Nahrmahns und Hektors Flotten beisteuert, sich nicht annähernd so gewichtig auf das Kräfteverhältnis hier in den heimatlichen Gewässern auswirken wird, wie die reinen Zahlen das zunächst einmal vermuten lassen würden.«
»Ich denke, da könntet Ihr durchaus recht haben, Euer Majestät«, warf nun Merlin ein. »Ich vermute, Königin Sharleyan wird sich so viel Zeit lassen, wie sie glaubt, vor der Kirche gerade noch rechtfertigen zu können.«
»Was ja auch nicht weiter verwunderlich ist, wenn man sich überlegt, was sie schon alles mit Hektor erlebt hat«, pflichtete Gray Harbor bei, und Haarahld nickte.
»Ganz genau. Wenn wir es also realistisch betrachten, werden wir es, bis Dohlar und Tarot eintreffen, genau mit den schätzungsweise einhundertfünfzig Galeeren zu tun haben, von denen wir immer vermutet haben, Nahrmahn und Hektor würden sie gegen uns mobilmachen können. Und natürlich stellt sich weiterhin die Frage, wie viele Schiffe Nahrmahn überhaupt zur Verfügung stellen kann, wenn man bedenkt, dass ihr Briefwechsel offensichtlich unterbrochen wurde. Also könnten die Zahlen letztendlich sogar noch ein wenig besser aussehen.
Zudem bezweifle ich, dass unsere lieben ›Drahtzieher‹ – wie ihr es so schön ausgedrückt habt, Merlin – aus dem Tempel sofort die Schiffe von Tarot zum Einsatz bringen werden. Die werden sich eher darauf verlassen, dass wir überhaupt nicht wissen, was hier eigentlich gespielt wird. Gorjah wird weiterhin so tun, als wäre er unser treuer Verbündeter, bis es dann so weit ist, dass sie ihm sagen, er müsse jetzt sein Mäntelchen nach dem Wind hängen. Also werden sie vermutlich planen, dass sich die Dohlaraner irgendwo im Meer der Gerechtigkeit mit den Tarotisianern zusammenschließen, bevor sie schließlich in unsere Gewässer vorstoßen.«
Nun lehnte sich Merlin in seinem Sessel zurück und nickte nachdenklich. Nimue Alban war Taktikspezialistin gewesen, und eine verdammt gute noch dazu. Doch Merlin erkannte sofort, wenn er es mit einem überlegenen Strategen zu tun hatte, und – zumindest in diesem speziellen Einsatzgebiet − traf das auf König Haarahld VII. zweifellos zu.
»Welche Route werden sie deiner Meinung nach wählen, nachdem die beiden Flotten sich zusammengeschlossen haben, Vater?«, fragte Cayleb nun.
»Das ist deutlich schwerer zu beurteilen.« Haarahld zuckte mit den Schultern. »Wir wollen hoffen, das Merlins Visionen uns darüber noch Aufschluss geben werden. Und auch, dass sie uns verraten, wo sie sich zum jeweiligen Zeitpunkt gerade befinden.«
Er blickte zu Merlin hinüber und hob fragend die Augenbrauen, und Merlin nickte.
»Ich kann nicht versprechen, wie sehr ich die einzelnen Flottenkommandanten im Auge behalten kann, Euer Majestät«, sagte er, »aber ich sollte es sehr wohl schaffen, die Flotten selbst nachzuverfolgen.«
»Gut«, gab der König zurück. »Aber um auf deine Frage zurückzukommen, Cayleb, der kürzeste Weg wäre Richtung Norden, hinauf durch den ›Kessel‹ und die Tranjyr-Passage, und dann um die ›Trittsteine‹ herum.«
Mit dem Finger fuhr er die bezeichnete Route ab, während er sprach.
»Aber das ist eben auch die Route, von der sie erwarten werden, dass wir sie am besten überwachen«, fuhr er dann fort, »also ist es sehr gut möglich, dass sie die
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