Der Krieg der Trolle
Sie fand einen Geldbeutel am Gürtel, riss ihn ungeduldig ab.
Stimmen ertönten, Rufe, laute Schritte.
Artaynis warf noch einen bedauernden Blick auf die bewusstlose Soldatin, deren Geheimnis so nah und doch so quälend fern schien, dann rannte sie los.
» Halt! Wer da?«
Fragende Rufe, Schreie, flackerndes Licht.
Die junge Dyrierin konnte keinen Gedanken an ihre Verfolger verschwenden, sondern lief weiter, folgte den hohen Kellerräumen.
» Hierher! Alle hierher!«
Im Zwielicht flog Artaynis nur so durch die Kellerfluchten. Ihre Gedanken rasten ebenso schnell. Hinter einem Durchgang stand ein Stapel leerer Kisten, die sie in vollem Lauf umriss. Hinter ihr ertönten Flüche, ein lautes Krachen, als mindestens einer der Soldaten zu Boden ging.
Artaynis gewann einen kleinen Vorsprung, vielleicht genug, um sie im Gewirr der Räume abzuhängen.
Doch dann sah sie vor sich wieder Fackelschein. Die Gruppe, die sie umgangen hatte, kehrte zurück. Nur noch wenige Momente, dann würden sie in Sicht kommen, und Artaynis wäre eingekreist, gefangen wie eine Füchsin im Bau, an dessen Ausgängen Hunde bellten. Ihr blieb keine Zeit, nach einem Weg zu suchen, also lief sie instinktiv los. Sie erreichte einen Raum mit einigen Fässern, lief zu ihnen, suchte hektisch. Die meisten hatten keine Deckel mehr. Dann fand sie einen, hob ihn an und kletterte in das muffige Rund.
Von draußen hörte sie gedämpft die Rufe und die lauten Schritte. Die beiden Gruppen von Soldaten trafen sich nicht unweit ihres Verstecks, suchten nach ihr, unterhielten sich. Artaynis wagte kaum zu atmen.
Das Fass war alt und das Holz morsch und weich. Zwischen den Dauben klafften teilweise Spalten, durch die dünne Lichtstreifen hereinfielen. Die Soldaten begannen, die Räume in der Umgebung abzusuchen. Artaynis konnte die Befehle hören, die Absprachen. Sie gingen methodisch vor, verteilten sich in den Kellerräumen, ließen keine Lücken zwischen sich.
Als die Dyrierin Schritte in ihrem Kellerraum hörte, machte sie sich auf das Schlimmste gefasst. Bis auf die paar Fässer war der Raum so gut wie leer, und es gab kaum weitere Verstecke.
Eine Lichtquelle bewegte sich durch den Keller, Stiefelsohlen knirschten auf dem Boden. Artaynis spähte durch eine der Spalten. Sie konnte kaum etwas erkennen. Eine Gestalt näherte sich den Fässern, eine Laterne vor sich her tragend, vielleicht eine Frau. Artaynis packte den Beutel fester. Sie ist es. Sie wird mich finden. Ihr Mund wurde trocken. Plötzlich war sie nicht mehr sicher, was geschehen würde. Sie sah das Schwert der Soldatin vor ihrem geistigen Auge aus der Scheide gleiten.
Die Frau schritt die Fässer ab, leuchtete in sie hinein. Artaynis erwog, aus ihrem Versteck zu springen, aber sie hatte sich so in das Fass gequetscht, dass sie sich kaum noch bewegen konnte. Agdele, lass sie vorbeigehen!
Doch die Göttin gewährte ihr diese Gnade nicht. Finger glitten über das Fass, suchten Halt. Ein Schlag ließ das Holz erzittern. Artaynis konnte nicht atmen. Dann hob sich der Deckel, helles Licht schien ihr ins Gesicht, blendete sie.
» Du?«
Die Laterne verschwand aus ihrem Gesichtsfeld, und als Artaynis blinzelte, konnte sie wieder sehen. Es war Vara. Die Adelige stand über das Fass gebeugt, einen Ausdruck von höchstem Erstaunen auf ihren Zügen.
» Habt Ihr was gefunden?«
Eine Männerstimme, rau und ungehalten. Vara blickte über die Schulter, dann wieder zu Artaynis. Die junge Dyriern wollte etwas sagen, brachte jedoch kein Wort hervor. Vara biss sich auf die Unterlippe, dann wandte sie sich ab.
» Nein, hier ist nichts.«
» Dreimal verflucht! Die Leute munkeln, dass hier ein Vranolác haust. Ein paar trauen sich schon nicht mehr, allein zu suchen.«
Vara stellte die Laterne auf den Boden neben das Fass und streckte sich demonstrativ.
» Wir sollten die Suche aufgeben. Ich glaube, wir sind einfach zu spät gekommen.«
» Ich rufe alle zusammen.«
Schritte entfernten sich. Vara beugte sich über das Fass.
» Danke«, hauchte Artaynis, aber die Adelige hielt sich den Finger an die Lippen.
» Ich will eine Erklärung, warum Ihr die ganze Truppe in Angst und Schrecken versetzt habt. Aber nicht jetzt.«
Sie bückte sich und drehte die Flamme herunter, bis die Laterne fast aus war, dann stellte sie sie hinter die Fässer.
Ohne ein weiteres Wort legte sie den Deckel wieder auf das Fass und ließ Artaynis allein in der Dunkelheit zurück.
28
O bwohl Kerr sich auf die Tiefen unter der Welt
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