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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Seite 1049 Domarus, Band 2, Seite 1053
    Daß Adolf Hitler nur sechs Wochen später das Auseinanderbrechen der Tschechoslowakei dazu mißbraucht, mit der Rest-Tschechei das erste Stück „Lebensraum im Osten" zu erobern, kann bei diesen Worten keiner der anwesenden Abgeordneten vermuten.

    Hitler setzt seine Regierungserklärung mit einer Schelte der amerikanischen und englischen Presse fort, die Deutschland unterstellt hat, es wolle „England und Amerika anfallen". Er schimpft über Juden und Bolschewiken und kommt zum Schluß zum Verhältnis Deutschlands zum Ausland. Dabei wirbt er allerdings wieder um die Freundschaft der Amerikaner, der Briten und Franzosen, jedoch mit einem Seitenhieb. Hitler verbittet sich „bei aller Freundschaft" die Einmischung des Auslands in die deutschen Angelegenheiten. Er appelliert dabei an den Friedenswillen der ausländischen Regierungen und schließt die Rede mit dem Hinweis auf das derzeit gute Verhältnis zum Nachbarn Polen. Die Rede mag deutschen Ohren nach Jahren der Siegerwillkür und der Not wohlgeklungen und geschmeichelt haben, für die außenpolitischen Beziehungen des Reiches aber ist sie Gift. Wieder vermittelt Hitler dem deutschen Volk die Illusion vom Frieden mit den Nachbarn. Das kann durchaus daran liegen, daß er sich im Januar 1939 selbst noch Illusionen zum deutsch-polnischen Verhältnis macht.

    Hier müßte nun nach der zeitlichen Sequenz der Hitler-Vortrag vom 10. Februar 1939 erwähnt werden. Doch weil Hitler diesen vor dem geschlossenen Kreis der Truppenkommandeure des Heeres hält, soll er erst nach dem Kapitel „Hitlers neuer Ton dem Ausland gegenüber" folgen.

    In der ersten Märzhälfte 1939 bricht die Tschechoslowakei im Streit der Tschechen, Slowaken und Ruthenen auseinander, und Hitler macht die Tschechei mit einem erzwungenen Vertrag zum Protektorat des Deutschen Reichs. In Deutschland ist die Annexion der Rest-Tschechei nicht populär. Man fragt sich, ob das nötig war und registriert den Wortbruch. Schließlich hat Hitler, als er ins Amt kam, am 27. Mai 1933 in einer Rundfunkrede kundgetan:
    „ Wir werden niemals fremde Menschen zu unterwerfen versuchen." 48 Beim Einmarsch der Reichswehrtruppen in das ungeschützte Rheinland sagt Hitler:
    „ Wir haben in Europa keine territorialen Forderungen zu stellen." 49
    Vier Tage vor der Heimkehr der Sudetendeutschen in das Reich wiederholt er vor großem Publikum im Sportpalast Berlin:
    „Es ist die letzte territoriale Forderung, die ich in Europa zu stellen ha
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    be . ... Wir wollen gar keine Tschechen ."
    Hitler macht sich mit der Annexion der Rest-Tschechei erstmals offenkundig vor dem eigenen Volk zum Lügner.

    Domarus, Band 1, Seite 279
    Am 7. März 1936, Domarus, Band 1, Seite 596
Am 26. September 1939, Domarus, Band 1, Seite 927
Am 26. September 1939, Domarus, Band 1, Seite 932
    Zwei Wochen nach der Rest-Tschechei-Besetzung, am 31. März, bietet England Polen eine Garantie zum Schütze gegen Deutschland an, und Polen stellt sich in der Danzig-Frage fortan stur. Hitler ist empört. Er will nicht begreifen, daß der Schritt nach Prag der Anfang eines falschen Weges ist. Am Tag nach Englands Angebot an Polen, am 1. April 1939, nutzt Hitler den Stapellauf des Schlachtschiffes „Tirpitz" in Wilhelmshaven zu einem öffentlichen Auftritt und zu einer Rede. Er versucht, sein Vorgehen in der Tschechei zu rechtfertigen und reagiert dabei ungehalten auf das Angebot der Briten an die Polen. Zum einen begründet er die Übernahme der Tschechei mit einem Gewohnheitsrecht aus der tausendjährigen gemeinsamen deutsch-tschechischen Geschichte und zum anderen mit der Gefahr, die stets von einer französischen oder russischen Nutzung der tschechischen Militärflugplätze gegen Deutschland ausgegangen ist. Dann – und das ist für den weiteren Verlauf des Geschehens der Jahre 1939-1940 vom Bedeutung – rechnet Hitler mit den „tugendhaften" Briten ab.
    „ Wenn heute ein englischer Staatsmann meint, man könne und müsse alle
    Probleme durch freimütige Versprechungen und Verhandlungen lösen,
    dann möchte ich diesem Staatsmann nur sagen: Dazu war vor unserer Zeit
    15 Jahre lang Gelegenheit! Wenn die Welt heute sagt, daß man die Völker teilen müßte in tugendhafte Nationen und solche, die nicht tugendhaft sind – und zu den tugendhaften Nationen gehören in erster Linie die Engländer und Franzosen, und zu den nicht tugendhaften gehören die Deutschen und Italiener -, dann können wir nur antworten:

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