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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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nun auch psychologisch abzugleiten. Hitler will Erfolg. Der Preis wird inzwischen Nebensache.

    In den letzten Wochen vor dem Kriegsausbruch versucht Hitler, den Polen die Pistole auf die Brust zu setzen, indem er nun offen droht. Er nutzt dazu Gespräche über London, über den Beauftragten des Völkerbunds für Danzig, Professor Burckhardt, und über einen schwedischen Vermittler namens Dahlems. Die Drohungen und britische Vermittlung bewegen den polnischen Außenminister Beck, am 28. August zu erklären, er sei mit neuen deutsch-polnischen Verhandlungen über Danzigs Zukunft einverstanden. Doch Beck weicht den deutschen Aufforderungen zu Gesprächen in den Folgetagen aus.

    Am 30. August 1939 schiebt Hitler in allerletzter Stunde ein neues Angebot – wie es die Deutschen meinen – beziehungsweise eine neue Forderung – wie es die Polen sehen – nach. Hitler will die Briten noch auf seine Seite ziehen und läßt deshalb für die Polen eine Brücke stehen, über die sie gehen könnten. Der in aller Eile von Diplomaten und Juristen erarbeitete deutsche Vorschlag ähnelt den vorausgegangenen. Er fordert nach wie vor den Anschluß Danzigs an das Reich. Doch er verlangt – das ist nun neu – auch eine Volksabstimmung für die Menschen im sogenannten Korridor.

    Die betreffenden Passagen im deutschen Vorschlag lauten:
    „ 2. Das Gebiet des sogenannten Korridors, ..., wird über seine Zuge-
    hörigkeit zu Deutschland oder zu Polen selbst entscheiden.
    3. Zu diesem Zweck wird dieses Gebiet eine Abstimmung vornehmen. ... Zur Sicherung einer objektiven Abstimmung ... wird dieses erwähnte Gebiet ähnlich dem Saargebiet einer sofort zu bildenden internationa len Kommission unterstellt, die von den vier Großmächten Italien, So wjetunion, Frankreich und England gebildet wird. ...
    4. Von diesem Gebiet bleibt ausgenommen der polnische Hafen Gdingen, der grundsätzlich polnischen Hoheitsgebiet ist. ...
    8. Um nach erfolgten Abstimmung ... die Sicherheit des freien Verkehrs Deutschlands mit seiner Provinz Danzig-Ostpreußen und Polen seine Verbindung mit dem Meere zu garantieren, wird, falls das Abstim mungsgebiet an Polen fällt, Deutschland eine exterritoriale Verkehrs zone... gegeben zur Anlage einer Reichsautobahn sowie einer vierglei sigen Eisenbahnlinie. ... Fällt die Abstimmung zugunsten Deutschlands aus, so erhält Polen zum freien und uneingeschränkten Verkehr nach seinem Hafen Gdingen die gleichen Rechte. ... 128

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    Benoist-Méchin, Band 7, Seiten 212 und 217 128
    Benoist-Méchin, Band 7, Seiten 482-185

    Karte 33: Die deutschen Vorschläge vom 30. August 1939

    Dies ist das sechste und letzte Angebot von deutscher Seite. Hitler läßt den Polen nun keinen Raum mehr, auf Zeit zu spielen. Er setzt eine Frist für den Gesprächsbeginn. Er „erwartet", daß Warschau bis zum 30. August 1939 um 24 Uhr einen bevollmächtigten Unterhändler nach Berlin entsendet. Außenminister Beck will weder den Zeitdruck noch den Verhandlungsort Berlin akzeptieren. Er weist Lipski in der deutschen Hauptstadt an, den neuen deutschen Vorschlag nicht entgegenzunehmen. 129
    Einen Tag und fünf Stunden nachdem der vorgeschlagene und „erwartete" Termin für den Beginn neuer Gespräche ergebnislos verstrichen ist, marschiert die Wehrmacht in Polen ein.

    Das letzte Hitler-Angebot, das die Polen auf diese Weise nicht mehr zur Kenntnis nehmen, verschlechtert mit der verlangten Volksabstimmung zwar die Ver

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    Dahlems, Seite 112
    handlungsgrundlage für die Polen, doch auch dieses Mal stellt die Reichsregierung keine Forderungen nach den ehemals deutschen Territorien in der Provinz Posen und in Ost-Oberschlesien. Beide, Posen und Ost-Oberschlesien, wäre als Gebiete mit reichen Erz- und Kohlevorkommen auch für das Deutsche Reich von großem Wert gewesen. Selbst das Abstimmungsgebiet „Korridor" ist in dem Vorschlag etwas kleiner ausgewiesen, als die ehemals deutsche Provinz Westpreußen.

    Auch wenn Hitler mit dieser letzten Forderung an Polen mehr verlangt als in den vorhergegangenen fünf Verhandlungsangeboten, so beansprucht er damit dennoch wenig. Er hält sich mit seinem Verlangen nach einer Volksabstimmung in Westpreußen-Pomerellen an die einstige Forderung des US-Präsidenten Wilson nach „Volksbeteiligung zur Regelung jedweder Gebiets- und Souveränitätsprobleme" 130
    und an den gleichlautenden Vorschlag des damaligen englischen Premierministers Lloyd George während der Versailler Siegerkonferenz, die Bewohner der

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