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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Krieg, so wie er dann kommt, zu entgehen. Doch Hitler hatte die Basis für eine solche Friedenskonferenz, ein Mindestmaß an allseitigem Vertrauen, bereits zerstört, ehe Pius XII. mit seinem Vorschlag auf den Plan getreten war.

    Mit dem Scheitern dieser Papst-Initiative vom Mai 1939 wird erkennbar, daß England und Frankreich seit der Annexion der Tschechei als deutsches Protektorat nicht mehr vor allem an der Erhaltung des Friedens in Europa interessiert sind, sondern in erster Linie an der Eindämmung Deutschlands, auch wenn das Krieg bedeuten sollte. Von nun an ist aus britischer Sicht nicht mehr die Eingliederung Danzigs nach Polen oder Deutschland das, was zählt, sondern ausschließlich Deutschlands Verhalten gegenüber Polen. Polens weiteres Verhalten gegenüber Deutschland ist für England nicht mehr von Belang.

    Zwei weitere Friedensinitiativen des Papstes unmittelbar vor Kriegsausbruch bleiben ebenfalls erfolglos. 234

    Der spätere Verlauf der Ereignisse zeigt allerdings, daß Europa ein weiterer Krieg um die Herrschaftsverhältnisse auf dem Kontinent wohl auch ohne Danzig nicht erspart geblieben wäre. Westeuropa hätte Stalins Überfall auf Finnland im November 1939 wahrscheinlich nicht hingenommen, ohne einzugreifen. Spätestens aber mit dem vorgesehenen Angriff der Sowjetunion gegen das Deutsche Reich hätten die Staaten Westeuropas ihre Staats- und Lebensformen vor dem Bolschewismus retten und Partei ergreifen müssen. Stalin kommt trotz seiner weit gediehenen Angriffsvorbereitungen gegen Deutschland im Herbst 1941 nur des

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    Tansill, Seite 565
    233
    ADAP, Serie D, Band VI, Dokument 372
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    Am 24. August 1939 und am 31. August 1939

    halb nicht zum Zuge, weil Hitler seinen Feldzug gegen die Sowjetunion ein paar Wochen früher startet.

    Die Zuspitzung der Lage in Danzig und in Polen

    Für die Menschen in Polen, in Deutschland und im Freistaat Danzig ist das Jahr 1939 bis zum Kriegsbeginn mehr als eine Periode heftiger diplomatischer Aktionen. Für viele ist es vor allem eine Zeit hochschäumender Emotionen. Die teils offenen, teils geheimen Verhandlungen um Grenzkorrekturen und Koalitionen für den Krieg, den man förmlich kommen hört, sind den Bürgern in Europa ohnehin kaum noch verständlich.

    In Danzig steigt das Verlangen nach Anschluß an das Mutterland. In Deutschland glaubt man das Recht auf eigener Seite, wenn Hitler den Anschluß Danzigs und sichere Verkehrswege ins abgeschnittene Ostpreußen fordert. Und in Polen nehmen Wut und Haß gegen die illoyalen Mitbürger deutscher, weißrussischer und ukrainischer Sprache zu.

    Seit Englands Garantien und Frankreichs militärischen Versprechungen wächst in Polen ein Gefühl von Siegessicherheit, das sich zwischen Traum und Rausch bewegt. In Deutschland will die Bevölkerung zwar Danzig, aber keinen Krieg. Und in Danzig finden weder Deutsche noch Polen zu der Mäßigung, die 1939 am Platz gewesen wäre. Mit der britischen Garantie im März für Polen und der Kündigung des Deutsch-Polnischen Vertrages in April verschärfen sich die Spannungen zwischen Berlin und Warschau, was man die deutsche Minderheit in Polen sofort spüren läßt. Ab Mai 1939 nehmen die Ausschreitungen von Polen gegen Deutsche wieder schlimme Formen an. Auf dem Lande werden deutsche Höfe in großer Zahl von Polen angezündet, die Bauern weggetrieben, Menschen in den Städten verprügelt, in Einzelfällen totgeschlagen. Deutsche Gottesdienste werden so häufig gestürmt und aufgelöst, daß sich der Vatikan genötigt sieht, dies bei der polnischen Regierung zu beklagen. Die Deutsche Reichsregierung muß im Sommer 1939 Auffanglager einrichten, um des Stromes deutscher Flüchtlinge aus Polen Herr zu werden. 235

    Ab Juni 1939 mehren sich im Freistaat Danzig die gegenseitigen Beschuldigungen und Verdächtigungen zwischen der deutsch-Danziger Bevölkerung und den polnisch-Danziger Behörden. 236
    Polnische Militärtransporte fahren durch das Danziger Gebiet, ohne daß sie, wie es vereinbart ist, vorher beim deutschen Danziger Senat gemeldet werden. Die polnische Militärbesatzung im Munitionsdepot

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    Die Zahl der Geflohenen beträgt bis zur Mitte des August 78.000 auf dem Gebiet des Deutschen Reichs und noch einmal 18.000, die sich nach Danzig retten. Siehe Rasmus, Seiten 28 ff 236
    Die nachfolgende Darstellung ist dem Buch des Völkerbundbeauftragten für Danzig Prof. Burckhardt „Meine Danziger Mission", Seiten 321—345, und der Aktenlage in den ADAP

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