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Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition)

Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition)

Titel: Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger de Grandpair
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Klippe steil ab in eine riesige Schlucht. Womöglich hatte sich an dieser Stelle vor langer Zeit eine Brücke befunden, doch jetzt war nur noch eine abgebrochene Felsnase davon übrig. Der Untergrund der Schlucht verlor sich in einem undurchsichtigen, wie windbewegte Wellen gekräuselten Bodennebel, und allein daran zu denken, in diesen scheinbar bodenlosen Kessel hinabzustürzen, verwandelte einem den Verstand zu Asche. In der Mitte der Ebene erhob sich eine unsagbar hohe Felszinne, ein Berg mit einer steinernen Spitze wie ein Dolch, der den Himmel erstach, und der so kalt und furchtbar wie der Verlust aller Hoffnung erschien. Außer dieser zentralen Erhebung, die vermutlich den höchsten Gipfel des Gebirges besaß, hatte Kull-Falûm noch zahlreiche weitere Anhöhen zu bieten, allesamt hoch und schlank gemeißelt wie große Türme und doch nicht von Hand erbaut. Zwischen den Bergen wanden sich unscheinbare Pfade, die zielsicher zu begehen kein Sterblicher hoffen durfte und die durch finstere Felsgalerien, Tunnel und unzählige Tonnen von nacktem Gestein ihr Netz gesponnen hatten. Über jener erschreckenden Szenerie hingen niedrige Wolken wie Krähenschwärme. Und obwohl sie so schwarz aussahen wie kurz vor dem Ausbruch eines verheerenden Gewitters, regnete es weder, noch schickten sie sich an, Blitz und Donner zu entladen.
    Von der linken Seite ihres Aussichtspunktes führte ein schmaler Steg an der benachbarten Felswand entlang und in das Innere des Gebirges hinein. Der Steg war fürwahr nur für Schwindelfreie gedacht, denn er war durch kein Geländer gesichert und fiel an seiner offenen Seite über einen beinahe senkrechten Felsabsturz in eine Tiefe ab, aus der es für jemanden, der das Gleichgewicht verlor oder einen unvorsichtigen Schritt wagte, keine Rettung mehr geben konnte. Da dieser Weg somit selbst bei klarer Sicht nicht ungefährlich und es bereits merklich dunkel geworden war, schlug Neimo vor, auf dem kleinen Plateau, auf dem sie sich befanden, eine nächtliche Rast einzulegen.
    „Seid Ihr sicher, dass es hier wirklich noch Drachen gibt?“, fragte Lemdred, als die zehn ein notdürftiges Lager bereitet und es sich bei ein paar Happen Schwarzbrot, Obst und getrockneten Fleischstreifen einigermaßen gemütlich gemacht hatten. „Ich meine, dieses Gebirge ist ja zugegeben ziemlich unheimlich und so. Aber wenn wir ehrlich sind, haben wir bis jetzt noch nicht einmal das Husten eines Drachen gehört oder auch nur einen fremden Schatten zu Gesicht bekommen.“
    „Ja, vielleicht haben diese Untiere sich vor langer Zeit bereits gegenseitig umgebracht, so wie es bei solch unehrenhaften Wesen ja gemeinhin vorkommen mag“, stimmte Pandialo dem Rhodrim hoffnungsvoll zu und sah dabei nacheinander Faramon und Lotan um Zustimmung heischend an.
    „Zunächst einmal pflegen Drachen nicht, sich gegenseitig umzubringen“, entgegnete der Zauberer. „Eine Krähe pickt der anderen kein Auge aus, und so ist es auch mit den Drachen. Und dann vergesst Ihr offensichtlich, dass Neimo den ersten Stein, den er sich bei den Zwergen ... na ja, ausgeliehen hat, bereits einem Drachen übergeben hat. Und ich denke, wir können davon ausgehen, dass selbst ein kleiner Mucklin einen riesenhaften Drachen von etwas anderem unterscheiden kann.
    Ihr solltet Euch außerdem darüber bewusst sein, dass Drachen zwar sehr plumpe, jedoch keineswegs einfältige Kreaturen sind. Man sagt ihnen sogar nach, dass sie in den Augen anderer Wesen lesen können wie in einem offenen Buch, sodass man seine Gedanken gut verbergenmuss, wenn man mit hintergründigen Absichten vor sie tritt. Ferner bereitet es ihnen das größte Vergnügen, Fallen und Listen zu ersinnen, und ebenso nötigt es ihnen hohen Respekt ab, wenn es jemandem gelingen mag, andere zu überlisten. Es sei denn, dass sie selbst zum Opfer einer Täuschung werden, dann nämlich ist ihr Sinn für Humor rasch erschöpft. Entsprechend haben sie auch eine große Schwäche für Rätsel, doch auch hier sollte man sich vor ihrer Durchtriebenheit in Acht nehmen. Und noch eine Vorliebe sagt man ihnen nach: sie sind sehr empfänglich für Schmeicheleien jedweder Art. Vielleicht gelingt es uns ja, uns die ein oder andere ihrer Eigenheiten zunutze zu machen.“
    „Zunächst einmal müssen wir bis zu dieser Drachenhöhle hinkommen“, meinte Cord der Barbar mit einem seiner wenigen Kommentare. Dabei sah er nach links zu dem schmalen Felssteg hin, den sie am nächsten Morgen würden begehen müssen.

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